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Aufruf: Auf zur Fahrt ins Grüne – Den rechten Vormarsch stoppen!

Die Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land ruft dazu auf, sich um 12:00 Uhr beim Bahnhof Brettorf zu treffen, um dann an dem Protest gegen die AfD-Veranstaltung in Brettorf am 02.07.2022 teilzunehmen.
 

Aufruf von der „Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land zu einer Antifa-Demo in Brettorf am 02.07.2022: „Die AfD Niedersachsen hält voraussichtlich am 02, 03 und 09.07 ihren Landesparteitag zur Listenaufstellung im „Schützenhof Schürmann“ von Gunnar Schürmann in Brettorf ab. Wir wollen uns der Demo des „Bündnis Buntes Brettorf“ mit einem Antifa-Block anschließen. Alle sind herzlich dazu eingeladen, sich bei uns einzureihen. Wir wünschen uns einen solidarischen und entschlossenen Block, der gemeinsam mit dem breiten Bündnis klare Kante gegen die AfD zeigt.

Auf zur Fahrt ins Grüne – Den rechten Vormarsch stoppen!

Wann: 02.07.2022 um 12:00 Uhr

Wo: Bahnhof Brettorf

Die AfD konnte sich in Brettorf bisher viel zu wohl fühlen, wie wir in unserer Recherche zu den Veranstaltungsräumen der AfD aufzeigen konnten [1]. Dabei geht es auch um eine historische Verantwortung, so war Dötlingen während des NS aufgrund des „besonderen Engagement“ der Bevölkerung für den NS zum „Reichsmusterdorf“ erhoben worden [2]. In der Nachkriegszeit war die NPD nach der CDU einige Zeit die zweitgrößte Fraktion im Gemeinderat [3]. Einem Bericht von 2014 zufolge bezog außerdem die RechtsRock-Band „Endstufe“ „neue gut geschützte Räumlichkeiten“ in Dötlingen [4].

An diese Geschichte anknüpfend kam es 2021 zu Kranzniederlegungen der Bremer Neonazikameradschaft „Brigade 8“ auf dem Friedhof der Dötlinger Kirche. Auch andere rechte Tourist*innen besichtigen gerne verschiedene völkische Relikte aus der Zeit des „Gaumusterdorf“, die sich nach wie vor in Dötlingen befinden [5]. Im Zuge der „Brigade 8“-Aktion wurde auch über Feierlichkeiten zum „Führer-Geburtstag“ am 20.04 am Gierenberg in Dötlingen berichtet [6]. Dass diese Feierlichkeiten stattfinden, ist anscheinend nicht unbekannt. Jedenfalls wurde dies u.a. von der rechten Facebook-User*in „Mareike Sonne“ am 08.11.2015 angedeutet [7], aber auch von anderen Facebook-Nutzer*innen unter Artikeln zum Parteitag in Brettorf kommentiert. Außerdem wurde abschätzig kommentiert, dass der Parteitag passenderweise „[…] Dort, wo teilweise noch mit dem rechten Arm gegrüßt wird!“, stattfindet. Offenbar fühlen sich in Gemeinde Dötlingen nicht nur die AfD, sondern auch andere Personen der extremen Rechten wohl.

Rechte Parole in Neerstedt (Gemeinde Dötlingen) beim Fußballplatz an der Grundschule am 16.10.2020.

Was bei solchen Aufzählungen nicht vergessen werden darf, ist, was für Auswirkungen es hat, wenn Rechte nicht nur Reden, sondern zur Tat schreiten. In Aschenstedt (Gemeinde Dötlingen) wurden am 30.10.2016 ein von Geflüchteten bewohntes Haus mit „verfassungsfeindlichen Parolen“ beschmiert [8]. Ein Jahr später, am 30.07.2017, zeigten zwei Jugendliche an der Kreuzung vor jenem Wohnhaus den Hitlergruß und brüllten Nazi-Parolen [9].

Auf zur Fahrt ins Grüne – Den rechten Vormarsch stoppen! Kein Raum der AfD!

Hinweis: Warum rufen wir zu einem eigenen Block auf und tauchen nicht als offizielle Bündnispartner*innen auf?

Wir unterstützen und solidarisieren uns voll mit der Aussage der Demonstration und Begrüßen auch ein entsprechendes breites Bündnis. Allerdings bringt das Konzept eines so offenen Bündnisses auch die Gefahr mit sich, dass sich diesem Bündnis Gruppen anschließen, mit denen wir nicht in Verbindung gebracht werden wollen.

Der Ermittlungsausschuss (EA) Oldenburg ist am 02.07 unter 0177 6218392 erreichbar. Das Bündnis für solidarische Intervention organisiert außerdem eine gemeinsame Anreise vom Oldenburger Hauptbahnhof aus, zu welcher sich um 10.45 Uhr in der Bahnhofshalle (Süd) getroffen wird [10].

Organisiert euch in Kleingruppen und achtet weiterhin auf Corona-Schutzmaßnahmen, vor allem eine Maske! Denkt darüber hinaus an sommerliche Temperaturen und verfolgt den Wetterbericht. Quelle: 16voll

Der Link zu dem Aufruf der Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land mit weiteren Informationen: https://16voll.noblogs.org/post/2022/06/23/aufruf-auf-zur-fahrt-ins-gruene-den-rechten-vormarsch-stoppen/

16voll-Beitrag vom 31.01.2022: „Antifaschistischer Monatsbericht Januar 2022 (2): Landkreis Oldenburg“

16voll-Beitrag vom 31.01.2022: Rechte Aktivitäten der Freien Niedersachsen in Wardenburg

Die Versammlungen in Wardenburg fanden sonntags am 02., 09. und 16.01 statt, an den ersten beiden Tagen berichtete das Bündnis für solidarische Intervention (BfsI) auf Twitter. Außerdem bestätigte ein Sprecher der Gemeindeverwaltung Wardenburg in einem NWZ-Artikel vom 05.01 unsere Beobachtung, dass ein Großteil der Teilnehmenden bei den Versammlungen im Dezember aus der näheren Region angereist sind.

Am 02.01 befand sich Martin Henning vom Kreisverband der Partei dieBasis unter den etwa 90 Teilnehmenden. Laut BfsI waren außerdem AfD-MdL Harm Rykena sowie Anke Wolff, Jeannette Harmjanz und Alexander Goretzki von dieBasis anwesend. Bemerkenswert war außerdem eine Person in einem Pullover des extreme Rechten Kampfsportevents „Kampf der Nibelungen“ (KdN).

Auch aus dem Landkreis Wittmund reisten zwei Vertreter*innen der Partei dieBasis an. Kennzeichen: WTM-B-322.

Anke Wolff, die bereits bei Querdenken441 mitmischte, ist seit dem Frühjahr 2021 weniger in der Öffentlichkeit präsent. Sie wohnt in Ahlhorn und ist bundesweit in der Szene vernetzt, u.a wird sie als „Gewerkschaftsführerin“ der Schein-Gewerkschaft „Demokratische Gewerkschaft“ aufgeführt, welche bis auf einen Internet-Auftritt und einigen dort veröffentlichten Berichten keine real existierenden Strukturen zu haben scheint.

Impressum der Scheingewerkschaft „Demokratische Gewerkschaft“. Inhaltlich verantwortlich ist der Verein „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ (KDW) von Anselm Lenz. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.demokratischegewerkschaft.de

Am 09.01 kamen bei schlechtem Wetter etwa 60 Personen. Diesmal war die Polizei mit einem großen Aufgebot vor Ort, kesselte die Demonstration zu Beginn und verhängte Auflagen. Im weiteren Verlauf kam es zu einem unübersichtlichen Katz- und Maus-Spiel, das für viele der Demonstrant*innen in einer Maßnahme endete. Gegen Personen wurden Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund von Verstößen gegen die Maskenpflicht eingeleitet. Auch hier war Harmjanz anwesend.

Bild der Partei dieBasis vom 18.07.2021. Zu sehen: Alexander Goretzki (1), Anke Wolff (2) und Jeannette Harmjanz (3). Bildquelle: www.diebasis-oldenburg.de

Am 16.01 bot sich ein ähnliches, jedoch etwas weniger chaotisches Bild. Die Anzahl der Teilnehmenden stagnierte in etwa, darunter der einschlägig bekannte Paul de Vries, der sich am Rande der Veranstaltung aufhielt. De Vries, der bereits in Wildeshausen und Hude an Übergriffen beteiligt gewesen war, fungierte in der selben Woche am 10.01 bei einer Versammlung von Freie Niedersachsen in Rastede als Anmelder einer Spontanversammlung. Auch Martin Henning war wieder mit von der Partie. Auch dieser hat eine Vorgeschichte, da er am 14.08.2021 in Oldenburg mit einem Übergriff auf einen freien Journalisten im Rahmen einer Versammlung von Querdenken441 aufgefallen war, bei der er auch Reichsbürgerglaubenssätze verbreitete.

Etwa 8 Personen änderten die klassische Taktik des „Spazierengehens“ und stellten sich mit Kerzen, Musik und Tröten in einer Reihe auf Höhe des Bioladens an die vielbefahrene Oldenburger Straße.

Martin Henning, neben Anne Müller, kurz nach dem Angriff auf einen freien Journalisten. Beide waren an der Gründung des dieBasis-Kreisverbands „Hunte-Weser-Ammerland“ beteiligt. Bildquelle: Pixel Matsch

In der Folge wurde entschieden, die Versammlungen künftig auf montags zu verschieben. Wie zu erwarten, sank die Teilnehmendenzahl am Montag, den 24.01 auf etwa 20 Personen, da ein Großteil der Teilnehmenden der vergangenen Versammlungen aus dem näheren Umland kamen und deshalb vermutlich an den Versammlungen in Oldenburg und in den Landkreisen Ammerland und Oldenburg teilnahmen. Entsprechend wurde sich an der Aktion des vorangegangenen sonntags orientiert und eine stationäre Versammlung mit Kerzen an der Oldenburger Straße/Ecke Friedrichsstraße abgehalten. Der Form nach erinnern die Proteste an die rechten Protestaktionen entlang der Bundesstraßen 96 und 6 bei Görlitz. Dass diese das Vorbild sein könnten liegt auch deshalb im Bereich des Möglichen, da die Neonationalsozialistin Nicole Dobiasch bei der Aktion gesehen worden ist. Weitere Informationen zu Nicole Dobiasch: www.antifaelf.blogsport.de/2021/02/19/dassindwiroldenburg-eine-vernetzung-von-ganz-rechts

Nicole Dobiasch mit Mikro am 09.05.2020 auf der „Menschenwürde Demo“ in Oldenburg.

Am 31.01 sanken die Teilnehemendenzahlen weiter auf maximal ein Dutzend, wobei man sich fortan ganz auf das Stehen an der Oldenurger Straße konzentrierte. Zuvor veröffentlichte der Rat der Gemeinde Wardenburg mit Unterstützung vieler Vereine die sogenannte „Wardenburger Erklärung“, in welcher die „Corona-Spaziergänge“ wegen der Organisation durch „demokratie- oder verfassungsfeindliche Organisationen“ kritisiert werden.

Links: Ankündigung in der Facebook-Gruppe „Wardenburg, meine Gemeinde“ von Romano Winter für den 24.01 im bekanntem Wardenburger-Layout. Bildquelle: Screenshot Facebook
Rechts: Ankündigung der Versammlung für den 31.01 in der Telegram-Gruppe „Freie Niedersachsen“. Bildquelle: Screenshot von dem Telegram-Kanal „Freie Niedersachsen“

Rechte Sticker- und Propaganda im Landkreis

Auch im Januar haben wir wieder diverse rechte Sticker im Landkreis dokumentieren können. In Ahlhorn (Gemeinde Großenkneten) organisierte die Gruppe „Mit-Denken Ahlhorn“ gegen die Vielzahl an Stickern, u.a. von der Identitären Bewegung (IB) und aus dem Online-Shop des Hallenser Neonazis Sven Liebich, „politaufkleber“, eine Reinigungsaktion. Sticker aus Liebichs Online-Shop wurden in den letzten Monaten auch in anderen Gemeinden im Landkreis gefunden, vor allem in Wardenburg. Stephan Heide schrieb für „der rechte rand“ in Ausgabe 189 im März 2021 zu Liebich:

Seit den 1990er Jahren gehörte der heute 50-Jährige zu den führenden Neonazis in Sachsen-Anhalt. Neben seinem früheren Job als Angestellter des Finanzamts war er Straßenaktivist, Versandhändler, Ladenbetreiber und galt als treibende Kraft hinter der »Blood-&-Honour«-Sektion Sachsen-Anhalt.

[…] Nachdem er 2020 die Verantwortung für den »Shirtzshop« an seine Schwester abgegeben hat, betreibt er ein weiteres Unternehmen, das Shirts und Utensilien für den politischen Aktivismus bedruckt und über seine Plattform vertreibt. Dieses Sortiment zeichnet sich durch die unverhohlene Zurschaustellung seines Vulgär-Rassismus aus, durch unangemessene NS-Vergleiche und die Verhöhnung der Opfer.

Rechte Sticker, u.a. von der IB, traten geballt in der Nähe der Wohnorte von Harm Rykena (Visbeker Straße 17) und Dierk Horstmann (Wildeshauser Straße 56) in Ahlhorn auf. Bei Horstmanns Privatadresse fand am 01.09.2019 im übrigen das Sommerfest des AfD Kreisverbands Oldenburg Land statt. Eingeladen hatte der ehemalige Ortsvorsitzende Daniel Kuper.

Bereits im August 2018 waren die Aufkleber der IB so massiv im Ortsbild von Ahlhorn präsent, dass sich sogar die Gemeindeverwaltung in Form der Integrationsbeauftragten einschaltete und der Bauhof Dutzende Sticker entfernte. Dies berichtete damals die „Kreiszeitung“.

Einer der in Ahlhorn 10.08.2018 gefundenen am Aufkleber. Bildquelle: Gemeinde Großenkneten

Dass die Sticker von Dierk Horstmann direkt stammen, erscheint möglich. Wie wir im Monatsbericht November 2021 dokumentiert haben, teilte er Inhalte der IB auf Facebook.

Links: IB-Sticker „Ja Europa, nein Union“ vom 05.01 Ecke Wildeshauser Straße/Schulweg.
Rechts: Rundaufkleber „Unser Land – Unsere Werte“ mit dem IB-Logo entdeckt am 23.01 an der Kreuzung Wildeshauser Straße/Visbeker Staße.

Auffällig oft wurden außerdem Motive „Gesundheitsempfehlung deiner Regierung“ verklebt, die mutmaßlich in Kooperation von AfD MdL Harm Rykena und Querdenken-Strukturen rund um Luise de Bruin und die „Freiheitsboten Oldenburg“ entstanden sind. Das gehäufte Auftreten an Rykenas Wohnort dürfte den Verdacht erhärten, den wir im Monatsbericht Dezember 2021 folgendermaßen artikulierten:

Über den Druck im großen Stil eines sehr ähnlichen Motivs [wie dem als Sticker gefundenen] wurde in der Gruppe ‚Freiheitsboten Oldenburg‘ zwischen dem AfD MdL Harm Rykena und der Querdenken441-Mitorganisatorin Luise de Bruin diskutiert. Rykena bot an, dass sich der Druck ‚regeln lasse‘, wenn es eine bessere Druckvorlage gäbe. Dass die Sticker durch diese Strukturen verbreitet werden, liegt Nahe.

Mehrere verklebte „Gesundheitsempfehlung deiner Regierung“-Aufkleber an der Bushaltestelle „Brandes“, Wildeshauser Straße am 05.01. Im Hintergrund links schlecht zu erkennen der Aufkleber „Stopp Tierversuche – nehmt Poltiker der Altparteien!“ aus dem Online-Shop „politaufkleber“.

Zudem wurden, in durchschaubarer Absicht, in der Nähe der drei Ahlhorner Schulen, einem Kindergarten und einem Test-Zentrum Aufkleber mit den Aufschriften „UNMASK OUR KIDS“, „UNMASK OUR KIDS #WETHEPARENTS“ und „UNMASK OUR CHILDREN #LETSKIDSBEKIDS“ angebracht. Desweiteren wurde dort das Schild des Test-Zentrums beschädigt. Die Organisator*innen „Mit-Denken Ahlhorn“ schrieben dazu in einer Pressemitteilung:

Was aber nicht geht sind dubiose Sticker in der Nähe zu Kindergärten und Schulen. Hier werden bewusst Eltern und vor allem auch Kinder verunsichert“, erläutert Michael Schäfer. Neben Stickern und Schmierereien wurde auch Müll gesammelt. „In den Wohngebieten findet sich doch so einiges, was achtlos in den Straßengraben weggeworfen wird.

Aufkleber mit den Aufschriften „UNMASK OUR KIDS“, „UNMASK OUR KIDS #WETHEPARENTS“ und „UNMASK OUR CHILDREN #LETSKIDSBEKIDS“ alle gefunden am 06.01 in Ahlhorn.

Bei der einer Schmierereien handelt sich es um ein mit weißer Sprühfarbe gemaltes Hakenkreuz, welches an einem Laternenpfahl in der Sandhörn-Straße, ganz in der Nähe von dem Haus von Siemone H., gefunden und entfernt wurde. Die Nordwest-Zeitung berichtete im Nachhinein über die Aktion.

Ähnliche Motive, vor allem die Karl-Lauterbach-Booster-Aufkleber (bundesweit verbreitet, vor allem auch in Oldenburg) sowie die Sticker aus den Kreisen der „Freiheitsboten Oldenburg“ fanden sich auch in Wildeshausen. Die Sticker sind auch bestellbar in dem Online-Shop „Phalanx Europa“ von der IB.

Aufkleber „Booster Abo“ in Ahlhorn; Ecke Wildeshauser Straße/Waldstraße . Am 29.12 klebte auf dem selben Mülleimer ein „Gesundheitsempfehlung deiner Regierung“-Aufkleber.

Auch im nahegelegenden Winkelsett (Colnrade; Samtgemeinde Harpstedt) wurden diese Propaganda-Artikel entdeckt. Darüber hinaus wurden auch hier bzw. im angrenzenem Hunteweg (Gemeinde Dötlingen) Sticker der IB verklebt. Als zusätzliches „Wildeshauser Phänomen“ sind die aus den letzten Monaten bekannten, von Impfgegner*innen selbst-kreierten Sticker zu benennen.

Diverse Sticker „Heimatschutz statt Mundschutz!“, „Mensur“ und „Still not loving Antifa“ aus dem Online-Shop „Phalanx Europa“ der IB, gefunden am 09.01 in Wildeshausen und Dötlingen.

In der Gemeinde Wardenburg wurde am 01.01 ein weiterer „Impfen macht frei“-Sticker in Hundsmühlen an der Bushaltestelle „Hunteweg“ gefunden. Zwei Tage später, am 03.01, wurde ein Aufkleber des verschwörungsideologischen Telegram-Kanals „THE WHITE ROSE“ an einer Laterne auf dem Parkplatz des Test-Zentrums an der Oldenburger Straße 221 gefunden. Diese finden seit einigen Monaten auch in Oldenburg rege Verbreitung. Am 24.01 wurden ebensolche Sticker der verschwörungsideologischen Kampagne „Join the White Rose“ auf der Demonstration von „Freie Oldenburger“ verteilt. Außerdem wurden am 24.01 erstmals Aufkleber mit der Aufschrift „Freiheit statt Sozialismus“ und „AfD – Die Realisten“ aus dem AfD-Onlineshop in Tungeln an der Bushaltestelle „Tjarks“ gefunden.

Links: Antisemitischer „Impfen macht frei“-Sticker in Hundsmühlen an der Bushaltestelle „Hunteweg“.
Rechts: Aufkleber der Kampagne „Join the White Rose“ auf dem Parkplatz vor dem Testzentrum an der Oldenburger Straße 221.

Corona-Rechte in der Gemeinde Großenkneten mit Schwerpunkt Ahlhorn

Wie die regen Propaganda-Aktivitäten in Ahlhorn schon vermuten lassen, gab es auch im Januar Aktivitäten auf der Straße, indem sich die „Montagsspaziergänge“ fortsetzten. Die Teilnehmendenzahlen bewegten sich permanent im Bereich von maximal einigen Dutzend, sanken aber zum Ende des Monats.

Am 03.01 versammelten sich etwa 30 Personen und gingen, ohne Maske oder Abstand, die Wildeshauser Straße entlang und legten am Polizeistein Kerzen ab. Die AfD Oldenburg Land vermeldete dies als „Erfolg“ und schrieb über „verdoppelte Teilnehmerzahlen“ (45), lieferte jedoch ein Video mit, das diese Einschätzung widerlegt. Mit dabei unter anderem AfD Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Harm Rykena.

Am 10.01 versammelte sich erneut eine Menge in ähnlicher Größe am Treffpunkt an der Polizeiwache und zog die Wildeshauser Straße entlang. Unter ihnen war auch wieder Harm Rykena. Diesesmal stoppte die Polizei nach Angaben der AfD Oldenburger Land den Aufzug zur Durchsetzung der Maskenpflicht (und fotografiert ihn angeblich sogar ab), wobei es zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstrant*innen gekommen sein soll, dabei wurde eine Person festgenommen.

Am 17.01 organisierte ein Parteien-Bündnis von SPD, B90/Die Grünen und der Linkspartei unter dem Namen „Mit-Denken Ahlhorn“ erstmals Gegenprotest in Ahlhorn, welcher promt etwa 60 Menschen anzog und insofern erfolgreich war, als dass es nicht wie üblich eine Versammlung der Corona-Rechten bei der Volksbank gab. Jedoch filmte Martin Gramsch, regelmäßiger Teilnehmer*innen der „Spaziergänge“, die Kundgebung ab. Diese Videoaufnahme wurde dann auf dem Blog der AfD Oldenburger Land veröffentlicht.

Ein Screenshot von dem Blog, das Martin Gramsch von der Gegenkundgebung aufnahm und welches noch am selben Abend bei der AfD Oldenburger Land veröffentlich worden ist. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.afd-oldenburg-land.de

Einige der Ahlhorner*innen wichen nach Großenkneten aus, wo sich maximal 25 Personen (AfD-Angaben, eigenes Video 16 Personen) versammelten und beim Rathaus Kerzen hinstellten. Diese Ausweichversammlung wurde vorher nicht öffentlich angekündigt, was zeigt, dass es auch im ländlichen Raum eine mobilisierbare Szene gibt, die sich koordinieren kann, auch wenn diese nicht bedrohlich groß ist.

Links: Ein eigenes Video der AfD, das 16 Teilnehmende zeigt, während von 25 geschrieben wird. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.afd-oldenburg-land.de
Rechts: Nachricht im Kanal der „Freie Niedersachsen“, die von ca. 20 Teilnehmenden spricht. Bildquelle: Screenshot von dem Telegram-Kanal „Freie Niedersachsen“

Am 24.01 fand wiederum eine Versammlung aus dem Spektrum der Corona-Rechten statt, allerdings kamen dieses Mal nur 9 Personen zum Teil mit auf Fahrrädern.

Corona-Rechten unterwegs mit Fahrrädern und Lichterketten entlang der Wildeshauser Straße.

Am 31.01 versammelten sich ebenfalls kleine Grüppchen mit insgesamt 15 Leuten, von denen zwei Leute in einer Polizeimaßnahme auf der Polizeiwache landeten. Gegen drei Personen wurden Ordnungswidrigkeitenverfahren aufgrund von Verstößen gegen die Maskenpflicht eingeleitet.

Regelmäßige Teilnehmer*innen der Aufzüge waren die Familien Gramsch und Tegeler. Martin Gramsch wohnt mit seiner Familie in Ahlhorn (Vogelbeerweg 2) und arbeitet bei Clever Etiketten – Nord im Außendienst.

Geschäftsführer bei Clever Etiketten ist Steffen Gramsch. Auch im „Team“ Martin Gramsch. Bildquellen: Screenshot von der Seite www.clever-nord.de

Die Familien von Martin und Christine Tegeler (Ahlhorn, Breslauer Straße 5) traffen sich auch außerhalb der genannten Daten zum Spaziergehen mit einer Lichterkette in Ahlhorn.

AufAbstand schreibt zu Friedrich Tegeler, dem Mann von Christine Tegeler:

Am 6. Juli [2020] schreibt er in der Telegram-Gruppe [Querdenken441] der sog. ‚Volkslehrer’ Nikolai Nerling sei nicht rechtsextrem und er würde den Großteil seiner Ansichten unterstützen. Außerdem kenne er ihn persönlich ziemlich gut.

Seine Verlinkungen zum ‚Volkslehrer’ waren zuvor auf Kritik gestoßen, da eine Verbindung zu Rechtsextremisten es den Medien ermögliche, die Gruppe in ein schlechtes Licht zu rücken.

Zudem behauptete er, an einem Treffen verschiedener ‚Weltanschauungen’ teilgenommen zu haben, bei welchem auch ‚hochrangige’ Vertreter*innen des Christentums, Heidentums, des Nationalsozialismus, des Liberalismus und der ‚Ludendorffer-Philosophie’ anwesend gewesen sein sollen.

Privates Bild von Friedrich Tegeler. Bildquelle: AufAbstand

Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit auf dem vorherigen Grundstück der Familie die Reichskriegsflagge gehisst, was zu Informationen passt, nach denen am VW-Bus der Familie 2020 ein „Q“-Aufkleber klebt. Dieser bezieht sich auf den antisemitischen Verschwörungsmythos QAnon. Außerdem ist die Familie dafür bekannt, an der Grundschule Ahlhorn wegen Corona-bezogenen Themen für Stress zu sorgen. Friedrich Tegeler postete außerdem am 26.02.2021 in der Telegram-Gruppe „DasSindWirCloppenburger“ ein geschnittenes Video, auf dem er, von Marschmusik unterlegt, an einem mit „Stop Racism“ bemalten Stromkasten an der Hauptstraße in Großenkneten die verleumdnerische Parole „Anti White“ anbringt.

Propagandistisch sticht in Ahlhorn vor allem ein Ort heraus: Das Atelier „Kunstbaude“ von Annette Lübke auf dem Sandhörn 2A. Die Schaufenster des Ateliers sind voll mit Material der verschwörungsideologischen Kleinpartei dieBasis, ausgedruckten Link-Sammlungen und Statistiken sowie bekannten Motiven aus der Querdenken-Szene wie Motive der „THE WHITE ROSE“-Sticker oder Zitate aus den Flugblättern der tatsächlichen NS-Widerstandgruppe „Weiße Rose“. Dieser Vergleich relativiert ganz offensichtlich den Terror des NS-Regimes gegen seine Gegner*innen.

Die Kanalbeschreibung einer der dort auf einem Zettel beworbenen Telegram-Kanäle, „Graphene Research“, spricht ebenfalls für sich: „Graphene Research – Verhaltenskontrolle der Bevölkerung durch ferngesteuert, angeregte Graphenoxid-Nanopartikel (5G Technologie) – Vaccine – Covid19 – Mind Control – 1984 – Transhumanismus“

Bilder von den Schaufenstern des Ateliers „Kunstbaude“ in Ahlhorn.

Corona-Rechte in Wildeshausen mit Verbindung zu Polizeibeamten?

Martin Gramsch heißt auf Telegram vermutlich „Cloosed“. Unter diesem Namen schlug er in den Kommentaren der rechten Freien Niedersachsen vor, in Wildeshausen auch an anderen Tagen der Woche zu demonstrieren, um den „linksradikalen“ vom Bündnis „Mit COURAGE gegen Rechts“ (MiCOU) auszuweichen. Das war 03.01.2022, dem Tag, an dem den Freien Niedersachsen erstmals wieder ein kleiner Spaziergang in Wildeshausen gelang. Mehrere Personen liefen gegen 17.30 Uhr mit großen Kerzen durch die Innenstadt und wurden später von der Polizei angehalten den Marktplatz zu betreten. Es kam zu einigen Diskussionen mit der Polizei, während vor dem Rathaus eine Gegenkundgebung von MiCOU startete. An diesem Gegenprotest nahmen etwa 80 Personen teil. An dem kleinen Aufmarsch nahmen ungefähr 15 Personen teil. Auch diese Ausweichversammlung wurde vorher nicht öffentlich angekündigt. Ein weiteres Beispiel, dass es hier im Landkreis eine mobilisierbare Szene gibt, die sich koordinieren kann.

Links: Screenshot von der Cloosed-Unterhaltung. Bildquelle: Sreenshot Telegram
Rechts: Ankündigung der Versammlung in der Telegram-Gruppe „Freie Niedersachsen“. Bildquelle: Screenshot von dem Telegram-Kanal „Freie Niedersachsen“

Eine Woche später (10.01) waren nur 20 Personen auf der Seite der „Spaziergänger*innen“ anwesend. Einige dieser Personen waren einen Tag später (11.01) in Harpstedt beim Aufmarsch mit dabei.

Von der angekündigten „Null-Toleranz“ der Polizei konnte nichts in Wildeshausen festgestellt werden. Vorort wurden keine Personalien festgestellt. Auch wurde dem wiederholten provokanten Fehlverhalten seitens der Corona-Rechten nicht nachgegangen. Stattdessen wurde nur darauf hingewiesen, dass nicht mit mehr als drei Personen ohne Maske zusammen stehen dürfen. Der Aufmarsch der Corona-Rechten verlief sich schnell. Erfreulicherweise waren einige Gegendemonstrant*innen auf dem Marktplatz anwesend, trotz fehlender Gegenkundgebung von dem Bündnis MiCOU.

Auch am darauffolgenden Montag (17.01) blieb die Beteiligung an den Aktionen der Corona-Rechten in Wildeshausen gering, im Umfeld einer Menschenkette vom Bündnis MiCOU mit dem Titel „Nachdenken statt Querdenken – kein Platz für Querdenken und rechte Hetze!“ mit ca. 80 Menschen versammelten sich wieder zwischen etwa 15-20 Personen, die keine Maske tragen wollten und teilweise dazwischen riefen. Wieder dabei war Markus Milke („Schrotti Milke“) der schon in der Vergangenheit mit Zwischenrufen die Aufmerksamkeit auf sich zog. Bei der Schweigeminute war es aber immerhin still auf dem Marktplatz, als den Opfern der Corona-Pandemie gedacht wurde. Erwähnenswert ist es, dass die Polizei zum ersten Mal anscheinend Videoaufnahmen von den Corona-Rechten anfertigte.

Personen am Rande der Gegenversammlung, die bereits auf den „Spaziergängen“ gesehen wurden. Bildquelle: MiCOU

Dass Wildeshausen ein schwieriges Pflaster für Corona-Rechte ist, beklagte anschließend Sven André Debicki auf seinem Telegram-Kanal „Wildeshausen“. Dort verbreitet er seit Dezember 2021 Aufrufe für Versammlungen von Corona-Rechten in der Region u.a. in Hude und kommentiert vereinzelt das Geschehen rund um die Proteste, wobei er auch auf Aussagen von AfD-Mann Harm Rykena zurückgreift. Debicki ist laut der Internetseite der „Unabhängigen Wählergemeinschaft“ (UWG), für die er bis 2021 im Wildeshauser Stadtrat saß, Polizeibeamter. Ein NWZ-Artikel von 2014 erwähnt die Betätigung als Bundespolizeibeamter in Uelzen, von der er für sein Ratsmandat freigestellt worden sei. Er verkündete im August 2021, dass er und seine Frau Vera Debicki, die für die SPD von 2011-2021 in den Stadtrat gewählt worden war, bei der Kommunalwahl 2021 nicht mehr antreten werden. Als Grund nannte er die „Corona-Diktatur“ und den „Great Reset“. Verbreitet wurde diese und andere Mitteilungen auf seinem Twitter-Account „Herzanlage“. Dort teilt er Inhalte des rechtsextremen Medienprojekts „AUF1“ aus Österreich, welche den Verschwörungsmythos einer von „den Mächtigen“ geplanten Pandemie beinhalten. Eine weitere gerne geteilte Quelle ist „klagemauer.tv“, das Internetportal der „Organische Christus Generation“-Sekte. Dieser widmete sich Belltower-News in einem längeren Artikel, aber so viel sei an dieser Stelle gesagt: es handelt sich bei „klagemauer.tv“ um ein zutiefst antisemitisches Medienportal einer zutiefst antisemitischen Sekte. Vervollständigt wird das rechte Weltbild von der Einbildung einer mächtigen queerfeministischen und antirassistischen Lobby (Wortlaut: „Propaganda-Loge“).

Oben: Debicki gibt seinen Rückzug und den seiner Frau aus der Kommunalpolitik bekannt. Bildquelle: Twitter
Mitte: Debicki auf der Website der UWG-Fraktion im Widleshauser Stadtrat 2016-2021.
Bildquelle: Screenshot von der Seite www.uwg-wildeshausen.de
Unten: Kandidat*innenbild von Vera Debicki für die SPD bei der Kommunalwahl 2016. Bildquelle: www.spd-wildeshausen.de

Sind das nur Ausrutscher bei der Quellenauswahl? Nein, das zeigt sein Telegram-Kanal.

Geraunt wird dort in selbst geschriebenen Textem über die gekaufte Presse, die „Flüchtlingskrise 2015“, 9/11 oder was auch immer den Erleuchteten (Verschwörungsideolog*innen) gerade noch so zur Projektion ihres Kontrollverlustes dient. Das politische System wird scheinbar wahllos als kommunistisch, faschistisch oder feudal diffamiert. Auch wird dort mit Shoa-Relativierungen kokettiert, wenn er etwa schreibt, Demonstrierende gegen die Corona-Rechten würden diese „mit stigamatisierender und diffamierender Art und Weise in den nächsten gedanklichen Diktatur-Eisenbahnwaggon Richtung Impflager schicken“ wollen (vom 19.01.2022). Diesen Eindruck bestätigt ein „Impfung macht frei“-Bild, das Debicki am 15.07.2021 auf seinem Twitter-Account veröffentlichte. Für ein solches Bild auf Facebook verurteilte das Amtsgericht Aichach im Januar 2022 einen Mann wegen Volksverhetzung.

Das gleiche Shoa-relativierende Motiv, wie es auf zahlreichen Aufklebern Verbreitung fand, auf dem Twitter-Account von Debicki. Bildquelle: Screenshot Twitter

Dazu kommen die üblichen verschwörungsideologischen Vorstellungen über „die“ lügende, allmächtige, globale Elite („Pharmafirmen plus BlackRock“), sowie die Berufung auf ein vermeintlich privilegiertes Wissen um das große Ganze, das die „Schlafschafe“ nicht verstehen würden. Verbunden wird diese angebliche priviligierte Erkenntniszugang mit dem Verweis auf Gott, Liebe und Licht („Krieger des Lichts“, „Gott ist Liebe“ und „Ich möchte zurück ins Licht“).

Die alles verbindende Erzählung ist natürlich der „Great Reset“. Neben seinen eigenen Texten teilt er fleißig verschwörungsideologische Größen wie Ken Jebsen, Xavier Naidoo, Tim K. oder Aktivist Mann. Der Kanal an sich ist von der Reichweite her jedoch irrelevant (26 Follower, Stand: 03.01.2022) und nur insofern von Interesse, als das er die höchst problematischen Ansichten eines (ehemaligen?) Bundespolizisten zeigt.

Debicki postet ein Bild, das seinen Telegram-Account mit Schreibzugriff auf den Kanal „Wildeshausen“ zeigt bei Twitter. Zudem ist die aufgenommene Nachricht mit seinem Namen unterschrieben. Bildquelle: Screenshot Twitter

Am 24.01 versammelten sich etwa 20-25 Personen in Kleingruppen auf dem Marktplatz, unter ihnen auch Stefan S. der erstmals am 20.12.2021 im Umfeld der Gegenkundgebung identifiziert wurde. Obwohl der Polizeichef Jörn Stilke von der Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land/Wesermarsch nach dem Erlass der Allgemeinverfügungen von der Stadt Delmenhorst sowie die Landkreise Wesermarsch und Oldenburg, welcher ab dem 08.01 ihre Wirkung entfalten sollte, in einer Pressemitteilung angekündigt hat, dass bei Verstößen bei den kommenden Versammlungslagen im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion „niedrigschwellig und konsequent“ eingeschritten werden soll, gab es laut Polizeiangaben keine Verstöße, auch wenn die Teilnehmer*innen der angekündigten Versammlung, wie auch zuvor, keine Masken trugen. Weiter hieß es in der Pressemitteilung vom 07.01:

Eine Verweigerung der Maskenpflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die seitens der Polizei entschlossen verfolgt werden wird. Das bedeutet die Identitätsfeststellung von betroffenen Personen, eine gezielte Verfolgung der Verstöße, gegebenenfalls den Ausschluss von Teilnehmenden sowie das Aufstoppen der Aufzüge bis hin zu Auflösen der jeweiligen Versammlungen.

Das nicht eingeschritten worden ist, bestädigte auch die AfD Oldenburger Land auf ihrem Blog und widmete sich, wie auch in der Woche zuvor, den Montagsversammlungen und schrieb in dem Sammelbericht zu der Versammlung in Wildeshausen: „Anders als die letzten Male in Ahlhorn oder Harpstedt reagierte die anwesende Polizei diesmal sehr deeskalierend, in dem sie die Menschen aus einiger Ferne beobachtete und ansonsten nicht einschritt.“

Oben: Der Wildeshauser Marktplatz kurz nach 18:00 Uhr. Die Versammlung steht in Kleingruppen ohne Masken auf dem Platz verteilt.
Unten: Der gleiche Platz später am Abend. Masken sind immer noch nicht zu erkennen. Bildquelle: www.afd-oldenburg-land.de

Eine Woche später, am 31.01, wurde die Versammlung zum ersten Mal angemeldet. Es kamen nach Polizeiangaben etwa 70 Personen, zur Gegenversammlung kamen etwa 80 Personen. Beworben wurde die Versammlung u.a. von Martin Gramsch. Einige der Teilnehmenden trugen dabei blaue Mützen der AfD-Kampagne „Gesund ohne Zwang“, die auch im AfD-Onlineshop zu kaufen ist. Eine weitere Verbindung zur AfD stellt die Tatsache dar, dass sich das Bild, welches zur Bewerbung der Versammlung benutzt worden ist, im Hintergrund aus zwei Bildern zusammensetzt, welche die AfD auf ihrem Blog verwendete, um das Versammlungsgeschehen in Wildeshausen und Delmenhorst in der Vergangenheit zu bebildern. Anwesend war zudem AfD MdL Harm Rykena.

Links: Das Werbebild für die Versammlung am 31.01. Bildquelle: www.afd-oldenburg-land.de
Rechts: Der untere Teil des linken Bildes, ursprünglich von der AfD. Es zeigt eine Versammlung in Delmenhorst am 24.01. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.afd-oldenburg-land.de“.“ Quelle: 16voll

Der Link zu dem Beitrag der Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land mit weiteren Informationen: https://16voll.noblogs.org/post/2022/01/31/antifaschistischer-monatsbericht-januar-2022-2-landkreis-oldenburg/

lkolpatriotinnen-Beitrag vom 30.08.2021: „30.07.2017: Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Volksverhetzung in Aschenstedt (Gemeinde Dötlingen)“

Quelle: lkolpatriotinnen

lkolpatriotinnen-Beitrag vom 29.08.2021: „Am 05.12.2018 schreibt die «kreiszeitung.de» in einem Artikel zur Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Volksverhetzung in Aschenstedt (Gemeinde Dötlingen) am 30.07.2017: „[…]Weil ein damals 19-jähriger Wildeshauser und ein 17-jähriger Dötlinger am 30. Juli 2017 an der Wildeshauser Straße in Aschenstedt den Hitlergruß gezeigt sowie Nazi-Parolen gebrüllt haben sollen, mussten sie sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht der Kreisstadt verantworten. Doch die Richterin, der Staatsanwalt und ein Zeuge warteten vergeblich – die jungen Männer sind zum Prozess nicht erschienen.

Am frühen Morgen des 30. Julis sollen sich die inzwischen Volljährigen an der Kreuzung Aschenstedter Straße/Wildeshauser Straße aufgehalten haben. Aus der Anklage geht hervor, dass die beiden angetrunken waren. Während einer Streifenfahrt bemerkten Polizisten die Heranwachsenden, die mehrfach den Hitlergruß gezeigt und Nazi-Parolen wie „Sieg Heil“ gebrüllt haben sollen. Besonders misslich sei laut dem Staatsanwalt der Umstand gewesen, dass in unmittelbarer Nähe eine Flüchtlingsunterkunft war.“. – Quelle: kreiszeitung.de“ Quelle: lkolpatriotinnen

Der Link zu dem Beitrag von lkolpatriotinnen mit weiteren Informationen: https://lkolpatriotinnen.wordpress.com/2021/08/30/30-07-2017-verwendung-verfassungsfeindlicher-kennzeichen-und-volksverhetzung-in-aschenstedt-gemeinde-dotlingen/

 

Aufruf: Antifa-Demo in Ganderkesee am 16.10.2021

Die Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land ruft zu der Antifa-Demonstration in Ganderkesee am 16.10.2021 auf.
 
Aufruf von der „Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land zu einer Antifa-Demo in Ganderkesee am 16.10.2021: „Am 14.10 jährt sich der Brandanschlag auf das Ganderkeseer Restaurant “Don Gantero” im ehemaligen Bahnhofsgebäude zum ersten Mal. Die Tat ist rassistisch motiviert und vermutlich Teil einer Anschlagsserie, welche an drei Orten im Bremer Umland; in Syke, Gnarrenburg und Ganderkesee, begangen worden ist.
 
FIGHT BACK! Solidarität mit den Betroffenen rechten Terrors – Rechte Strukturen aufdecken und bekämpfen!
 

Wann: 16.10.2021 um 15 Uhr

Wo: Bahnhof Ganderkesee

„Das systematische Vorgehen war an den Orten jeweils gleich: alle drei Restaurants wurden von Personen betrieben, die eine Migrationsgeschichte haben. Es wurde [immer nachts] eingebrochen, es wurden mit Brandbeschleuniger im Innern der Gebäude Feuer gelegt und an allen drei Orten Hakenkreuze hinterlassen.“ [1] ~ Jan Krieger, Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus für Demokratie Niedersachsen

Keine der Taten ist bisher aufgeklärt worden. Trotz eindeutig hinterlassenen Botschaften werden viele der Fälle, wie auch in Ganderkesee, von staatliche Stellen nicht als rechte, rechtsextreme oder rassistische Anschläge bewertet und die Ermittlungen abgeschlossen. Ein weiterer Fall, der wohl niemals aufgeklärt wird.

„Wenn man nicht Willkommen ist, dann packt man sein Koffer und geht halt einfach.“ [2] ~ Saman Ghorbani, Betroffener des Brandanschlags in Ganderkesee

Ebenso bleibt eine breite öffentliche Empörung und die Solidarität mit den Betroffenen der Anschläge weitestgehend aus. Anstatt sich mit dem Opfer dieser Tat zu solidarisieren, hat der Verwaltungsausschuss der Gemeinde Ganderkesee den Pachtvertrag für die Räumlichkeiten wegen „Unmöglichkeit der weiteren Nutzung“ gekündigt. Folgend gab es dennoch ein öffentliches Vergabeverfahren, auf das sich vier Gastronomen, darunter auch die bisherigen Betreiber, beworben haben. Das Kriterium für die Vergabe sei die Qualität des Konzepts gewesen, woraufhin das Gebäude an Ulf und Heike Thiemann, die bereits in Ganderkesee Gastronomie betreiben, vermietet wurde. Es bleibt die Frage offen, warum das Objekt neu vermietet wird, obwohl der vorherige Pächter wegen „Unmöglichkeit der weiteren Nutzung“ gekündigt und im Bewerbungsverfahren „ohne Berücksichtigung“ gewertet wurde [3]. Den Betroffenen wird damit nicht nur ein Grundstein der eigenen Existenz entrissen, sie werden auch mit der Angst vor weiteren Anschlägen alleine gelassen. Wir sind wütend, dass die Faschist:innen mit Unterstützung der Gemeinde Ganderkesee offenbar ihr Ziel erreicht haben; Menschen sitzen auf gepackten Koffern und wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt.

„Es stellt für mich ‘nen Brückenschlag dar zu Aktionen von Neonazis. Die bedrohen eben Menschen, greifen sie an oder ermorden sie, die sie nicht als deutsch wahrnehmen. Nicht als Teil der deutschen Gesellschaft. Das erweitert diese Aktion, um Menschen aus dem Stadtbild zu vertreiben.“ [2] ~ Marc Weber, Betroffenenberatung Niedersachsen

Das zeigt uns, wie wichtig es ist, Solidarität mit den Betroffenen von rechtem Terror zu üben. Wir können und wollen uns dabei nicht auf den Staat verlassen! Auch lässt sich beobachten, dass die Faschist:innen für den Erfolg ihre Taten auf ein gesellschaftliches Klima angewiesen sind, das ihren Umtreiben zumindest gleichgültig gegenübersteht. Antifaschistischer und antirassistischer Selbstschutz muss in Eigenregie und gemeinsam mit den Betroffenen organisiert werden.

„Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.“ ~ Esther Bejarano, Überlebende des KZ Ausschwitz

Dass der Staat kein geeigneter Bündnispartner im Kampf gegen den Faschismus ist, zeigt die Geschichte der BRD eindrucksvoll. Seit seiner Entstehung trifft dem Staat eine Mitverantwortung beim Wiedererstarken faschistischer Gewalt. Ein wichtiger Faktor dieser Entwicklung ist die Hufeisentheorie, welche den Umgang staatlicher und staatstragender Organisationen mit dem Faschismus prägt. Diese hat nicht zuletzt für die Verfolgung von Antifaschist:innen gesorgt. Auch behauptet sie eine politische Mitte, welche frei von Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus sei – und somit nichts mit den faschistischen Umtrieben an ihrem „rechten Rand“ zutun habe. Diese Ansicht ist von der Realität oft genug widerlegt worden, es sei an dieser Stelle auf das besonders rassistische gesellschaftliche Klima der 1990er Jahr und die damit einhergehenden Progrome, aber auch die politischen Maßnahmen wie die faktische Abschaffung der Asylrechts verwiesen.

Die Rolle der Sicherheitsbehörden ist dabei auch geprägt von einer Kontinuität des Personals zwischen dem NS und der BRD (in BND, Verfassungsschutz, Bundeswehr, Polizei etc.). Rechte Netzwerke bei Polizei und Bundeswehr, wie sie mittlerweile quasi monatlich ans Licht kommen, haben somit Tradition. Aber auch ohne den expliziten Einfluss faschistischer Netzwerke erweist sich der Staat nicht als Partner im Kampf gegen den Faschismus, wie zum Beispiel die Ermittlungen und der Prozess rund um den NSU zeigen.

„Es spielt den Rechten in die Karten. Es ist ‘n klares Signal in die rechte Szene, die sich bestätigt sieht so vorzugehen. Es wird keine klare Kante gezeigt.“ [2] ~ Jan Krieger

Auch in Ganderkesee ist auf Polizei und die „Mitte der Gesellschaft“, z.B. in Form von medialer Berichterstattung, kein Verlass. Die Recherchearbeit zu den verschiedenen rechten Akteuren in der Gemeinde Ganderkesee hat NIKA-Nordwest im Rahmen der Kampagne “Rechter Terror im Nordwesten” geleistet, welche dabei vor allem auch auf die langjährige Arbeit von Antifaschist:innen zurückgreifen konnten.

Die Polizei möchte sich nicht auf einen rechten Hintergrund festlegen [4]. Und auch die veröffentlichten Recherchen ändern nichts daran, dass die Nordwest-Zeitung wiederholt unkommentiert die Aussage übernimmt, es gebe keine „rechte Szene“ in Ganderkesee, gleichwohl diverse Akteure mit Verbindungen zu rechten Strukturen in der Gemeinde belegt sind [5, 6]. Auch wenn es unterschiedliche Ansichten über die Definition von „Szene“ geben mag, scheint doch kein größeres Interesse daran zu bestehen, über die lokale extreme Rechte zu informieren. Daher geben wir an dieser Stelle nochmals einen kleinen Überblick, ohne jedoch alle Akteure berücksichtigen zu können.

Im Bereich des Kampfsports unterrichtet besipielsweise der Neonazi und Betreiber des szenebekannten Kampfsportstudios „Chang Tong Gym“ in Prinzhöfte (Samtgemeinde Harpstedt), Danny Gierden, seit Jahren im Fitnesssportstudio „Life Studio“ in Ganderkesee. Er verfügt außerdem über bundesweite Kontakte in der rechten (Kampfsport-)Szene, insbesondere zu Hooligangruppen aus Bremen. Über seine Aktivitäten ist die Ganderkeseer Öffentlichkeit u.a. mit 1000 Flugblättern informiert worden. [7] Konsequenzen gab es bisher keine. Es ist also offenbar möglich, dass ein Neonazi nicht nur andere Rechte in seinem Kampfsportstudio in Prinzhöfte im Straßenkampf trainiert, er darf auch noch unbehelligt mit Kindern und Jugendlichen arbeiten [5; S.30].

Danny Gierden (1. von links) im Team des „Life Studio“ Ganderkesee. Bildquelle: Screenshot Facebook
 
Erklärung der Kooperation zwischen dem „Life Studio“ und Gierdens „Chang Tong Gym“. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.changtong.de
 
Teil der Informationskampagne von NIKA-Nordwest war außerdem ein Onlineshop Namens „Trecker Deko“, bei welchem sich rechtsextremer Merchandise, u.a. bedruckt mit Pflug und Schwert, erwerben lässt. Auch hier läuft der Vertrieb unbehelligt weiter. Die Produkte sind deutschlandweit auf den s.g. „Bauernprotesten“ zu finden und der völkischen Landvolkbewegung zuzuordnen. Die Adresse des Online Shops führt natürlich nach Ganderkesee. Bei derselben Adresse, Gewerbestraße 4 in 27777, befindet sich auch der Druckshop „DRUCKSACHEN“ [5; S.10].
 
Nach wie vor vertreibt der Ganderkeseer Onlinehandel u.a. die völkische Fahne der “Landvolk-Bewegung”. Bildquelle: Screenshot von der Seite www.treckerdeko.de
 

Die historischen Bezüge zur Blut und Boden Ideologie prägen die Gemeinde Ganderkesee über die Freilichtbühne hinaus bis heute. In Bookholzberg (Gemeinde Ganderkesee) wurde 1934 von den Nazis eine Freilichtbühne für ihre Blut und Boden Ideologie gebaut. Aufgeführt wurde dort das propagandistische Stück „De Stedinger“. Rechte, neonazistische Kreise bedienen sich in der Bundesrepublik des Stedinger-Motivs und das ganz im Sinne der nationalsozialistischen Interpretation. Als Beispiel widmete die Rechtsrock Band „Stahlgewitter“ dem Thema ein ganzes Lied [5; S.6]. In Bezug auf Bookholzberg ist einer Aufarbeitung der Freilichtbühne „Stedingsehre“ bis Weilen nur sehr sporadisch gegeben. In diesem Herbst soll dort eine Gedenkstätte errichtet werden [8].

Die AfD schickte zur diesjährigen Bundestagswahl den ehmaligen Lehrer (u.a. in Bookholzberg und Wildeshausen) Adam Golkontt als Direktkandidaten für den Wahlkreis 28 ins Rennen. Gollknott gilt als Flügel-naher christlicher Fundamentalist mit Kontakten in die Hooligan-Szene [9].

Fakt ist: Die Kommunal- und Bundestagswahlergebnisse für die AfD liegen in der Region nicht signifikant über dem niedersächsischen Durchschnitt. Bei den diesjährigen Kommunalwahlen halbierten sich die AfD-Sitze im Kreistag von 4 auf 2. Der Ganderkesser Sven Erichsen, der sich bereits zum zweiten Mal für die Kreiswahl aufstellen ließ [10], verlor sein Mandat. Gleichzeitig jedoch scheint die AfD-Niedersachsen den Landkreis Oldenburg zunehmend als ruhiges Hinterland für die Organisation ihrer Strukturen wahrzunehmen, was zum Beispiel die Ausrichtung des Sommerfests 2018 in Ganderkesee oder der landesweite Wahlkampfauftakt zur Bundestagswahl 2021 in Brettorf zeigen [5 (S.24), 11].

Daneben ist auch die verschwörungsideologische Bewegung in der Gemeinde aktiv. So fand am 02.09.2021 beispielsweise eine vielbeachtete Aktion anlässlich des Besuchs von Jens Spahn in Hoykenkamp (Gemeinde Ganderkesee) statt, an welcher u.a. die Querdenken-Partei „dieBasis“ beteiligt war und die ca. 120 Menschen mobilisierte. Zudem hält die bundesweit vernetzte Reichsbürgerin Martina Dyck in Bookholzberg regelmäßig Mahnwache ab, zuletzt am 05.10.2021 [12]. Allerdings musste die Kundgebung von staatenlos.info mangels Teilnehmenden vorzeitig beendet werden. Auch wenn die Vernetzung auf der Straße offenbar stockt, ist die Reichweite auf ihren YouTube-Kanälen und ihre Vernetzung im Internet nicht zu unterschätzen. Sie scheint zu den ideologischen Hardliner:innen innerhalb der „Reichsbürger“-Szene zu gehören und vertritt zutiefst völkische und antisemitische Positionen. Sichtbarer antifaschistischer Widerstand blieb bisher – wie auch in Bezug auf die anderen extrem rechten Phänomene – weitestgehend aus.

Martina Dyck beschwert sich über die Löschung einer ihrer YouTube-Kanäle „staatenlos.info Hamburg La Paloma – Satire“ mit ca. 1020 Abonnent:innen. Bildquelle: Screenshot dem YouTube-Kanal „Befreiung unseres deutschen Heimatreiches“

Wir wollen und werden das niemals akzeptieren, „Nie Wieder Faschismus!“ ist für uns nicht bloß eine Phrase. Wir, dass sind Antifaschist:innen aus dem Landkreis Oldenburg, welche den rechten Strukturen in ihrer Region nicht bloß zuschauen wollen. Auch wenn die lokalen Faschos nicht in die Taten involviert sein sollten, so stellen sie doch eine Bedrohung für all die Feindbilder ihrer faschistischen Ideologie dar. Wir wollen ihnen ihre Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz nehmen und sie aus der Deckung holen. Wir knüpfen dabei auch an die antifaschistischen Kämpfe der 00er Jahre an. Beispielsweise gab es 2006 in Bookholzberg und 2008 in Ganderkesee antifaschistische Demonstrationen, welche auf den Anstieg rechter Gewalt reagierten. Damals wie heute: Naziterror stoppen! Den antifaschistischen Widerstand organisieren! Quelle: 16voll

 
Der Link zu dem Aufruf der Antifaschistische Vernetzung Oldenburger Land mit weiteren Informationen: https://16voll.noblogs.org/post/2021/10/10/aufruf-antifa-demo-in-ganderkesee-am-16-10-2021/

Pressemitteilung des Bündnisses So.Wi.WIR vom 07.10.2021 zum Brandanschlag in Ganderkesee

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR und ihre AG MiCou – Mit Courage gegen Rechts haben haben eine Pressemitteilung zum Brandanschlag in Ganderkesee veröffentlicht.

Hinweise von dem Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR und ihre AG MiCou – Mit Courage gegen Rechts zu einer Demonstration am 16.10.2021: Zugtreffpunkt: Bahnhof Wildeshausen, Gleis 2 (Ticketautomat), 13:45 Uhr Quelle: https://www.facebook.com/sowiwir/posts/3037897249831535

Quelle: So.Wi.WIR

Pressemitteilung von dem So.Wi.WIR-Bündnis und ihrer AG MiCou vom 07.10.2021: „Trauriger Jahrestag des Brandanschlags in Ganderkesee: Der zweite Anschlag gegen die Betroffenen

Vor einem Jahr am 14. Oktober 2020 zerstörte ein Brand das ehemalige Bahnhofsgebäude in der Wittekindstraße weitgehend, in dem sich das Restaurant „Don Gantero” befunden hatte. Die Polizei erkannte Spuren einer vorsätzlichen Brandstiftung, konnte aber keine Täter*innen ermitteln. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Am Brandortfanden sich Symbole der rechten Szene wie ein Hakenkreuz sowie die Ziffer „88“, die für „HH”: „Heil Hitler” steht. Während sich die Bürgermeisterin unmittelbar nach dem Brandanschlag noch schockiert gezeigt hatte, offenbarten die folgenden Taten der Verwaltung eine ganz andere Haltung: Die betroffenen Betreiber, die einen „Migrationshintergrund“ aufweisen, wurden von der Gemeinde Ganderkesee nicht unterstützt, sondern innerhalb kürzester Zeit wurde ein neuer Pachtvertrag mit einem bekannten Ganderkeseer Gastronom abgeschlossen. Die betroffenen Betreiber mussten Ende Mai 2021 das Gebäude verlassen. Wenn sich hinter dem Brandanschlag eine rechte Täterschaft verbergen sollte, so hätten sie ein Ziel des Brandanschlags erreicht: Die Betreiber verloren ihr Restaurant und ihre Existenzgrundlage. Das sendet ein fatales Signal, weil deutlich wird, dass potentielle Opfer rechtsextremer Gewalt in Ganderkesee nicht mit Solidarität zu rechnen haben.
In Ganderkesee wird die Haltung der Verwaltung in der Politik fast nicht thematisiert. Außer von der Partei DIE LINKE (Ratsfrau Susanne Steffgen) gab es keine Stellungnahme zu dem Vorgehen der Verwaltung. Im Fernsehbeitrag des NDR („Hallo Niedersachsen“ vom 5. Juli 2021) äußerten sich lediglich Bündnis 90/Die Grünen. Die Bürgermeisterin blieb stumm. Für die Betroffenen bedeutet diese Haltung der Ganderkeseer Politik, dass sie nach dem Anschlag ein zweites Mal Opfer sind: zunächst traf sie ein Brandanschlag, dann die Ausgrenzung des Verwaltungsausschusses Ganderkesees.
Seit dem Februar 2020 häufen sich die Brandanschläge im Bremer Umland. In Syke, Gnarrenburg und Ganderkesee wurden Brandanschläge auf Restaurants nach einem ähnlichen Muster verübt: Immer nachts wurden die jeweils von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte geführten Restaurants Opfer der Brandanschläge und immer wurden Hakenkreuze hinterlassen. Am 13. Februar 2020 wurde ein Brandanschlag auf das Syker Restaurant „Martini“ verübt. Am 24. Juli folgte ein Brandanschlag auf den „Hexenkeller“ in Gnarrenburg und am 14. Oktober 2020 schließlich das Restaurant „Don Gantero“ in Ganderkesee. An den Wänden oder im unmittelbaren Umfeld fanden sich immer Hakenkreuze und teilweise auch rassistische Parolen. Trotz dieser Häufung von Gemeinsamkeiten konnte die Polizei hinter diesen Taten keine eindeutigen Hinweise auf einen politischen Hintergrund und eine rechte Tatmotivation ermitteln.
Auch Brandanschläge in der Region wie z.B. in Bremen im Februar 2020 müssen in diesem Zusammenhang mitgedacht werden.
Expert*innen wie die Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie weisen darauf hin, dass es im Bremer Umland seit Jahren eine aktive rechtsextreme Szene gibt. Es darf nicht zugelassen werden, dass rechtsextreme Taten die Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte im Bremer Umland einschüchtern. Es besteht die Gefahr weiterer rechter Anschläge, die Menschen verletzen oder töten können.
Anlässlich des traurigen Jahrestags des Anschlags findet vor dem Gebäude des ehemaligen „Don Gantero“ (Wittekindstraße 3) am Samstag, den 16. Oktober von 13.00-15.00 Uhr eine Mahnwache statt, um sich mit den Betroffenen solidarisch zu erklären. Daran anschließend findet eine Demonstration statt, für die das Bündnis für solidarische Intervention aufruft.“ Quelle: https://www.facebook.com/sowiwir/posts/3037897249831535

Rechter Terror im Nordwesten

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR weisen auf die Recherche: „Rechter Terror im Nordwesten“ von der Kampagne Nationalismus ist keine Alternative hin.
 
Den Facebook-Link zu dem Beitrag von dem So.Wi.WIR-Bündnis mit weiteren Informationen: https://www.facebook.com/sowiwir/posts/3008434396111154
 
 

In der Nacht auf den 13.02.2020 brannte das Restaurant „Martini“ in Syke. An der Außenwand sowie auf dem Pflaster vor dem Gebäude wurden Hakenkreuze und die Parole «Ausländer raus» gesprayt. Ein paar Tage zuvor hatte sich das Bündnis gegen Rechts im Martini getroffen.

Am 24.07.2020 brannte das syrische Restaurant “Hexen Keller” in Gnarrenburg. Wie in Syke wurden auch hier am Tatort gesprühte Hakenkreuze gefunden. Der Brand wurde mit Hilfe von Brandbeschleuniger herbeigeführt.
Die Cocktailbar “Don Gantero“ in Ganderkesee wurde am 14.10.2020 in Brand gesetzt. Auch hier wurden Brandbeschleuniger sowie ein Hakenkreuz und die Zahl “88” am Tatort festgestellt.
Am 16.02.2020, kam es zu einem Brandanschlag auf das alternative Jugendzentrum “Friese” im Bremer Viertel. Während eines laufenden Konzertes legten Unbekannte Feuer im Backstagebereich. Dieser brannte vollständig aus. Am Eingang wurden Nazi-Aufkleber gefunden, die zuvor nicht dort gewesen waren.
Zu einem Brandanschlag auf das Antifaschistische Café im Braunschweig kam es am 09.03.2021. Die Braunschweiger Naziszene gilt als besonders gewaltbereit und aktiv. Einige von ihnen wurden in der Nacht des Brandes in unmittelbarer Nähe des Antifa Cafés gesehen.

Rassistischer Normalzustand

Die psychischen und existenziellen Folgen für die Betroffenen sind enorm. Sowohl die Betreiber*innen des “Martinis” in Syke, als auch die Betreiber*innen des “Don Ganteros” in Ganderkesee verloren dabei ihre Existenzgrundlage. Die Stimmung in den Gemeinden ist häufig wenig solidarisch und zeugt nicht selten selbst von einer rassistischen Grundhaltung. In Gnarrenburg wurde schnell nach dem Brand der Vorwurf des Versicherungsbetruges in den Raum geworfen. In Syke wurde behauptet, dass es sich um keinen rechten Anschlag handeln könnte. Ausschlaggebend war, dass das Hakenkreuz falsch herum gesprüht wurde und dieses an der Rückseite des Gebäudes zu finden war. Dabei befand sich der Eingang des Restaurant auf der Rückseite des Gebäudes.
Zumindest in Gnarrenburg gab es eine Solidaritätsveranstaltung, um unter dem Motto “Wir sind alle Hexenkeller”,die die Betroffenen unterstützte. In Syke organisierten Antifaschist*innen mehrere solidarische Demonstrationen. Solche Veranstaltungen fehlen in Ganderkesee bis heute.
In Ganderkesee wurde das Restaurant kurz nach dem Anschlag weiter vermietet. Auch das Restaurant „Martini“ in Syke musste endgültig schließen, nun soll dort ein Craftbierladen entstehen.
Der Hexenkeller in Gnarrenburg kämpft seither ums Überleben.

Nazis am Werk

Auch in Bremen und Braunschweig kam es im gleichen Zeitraum zu rechten Brandanschlägen, auf das alternative Jugendzentrum im Bremer Viertel und auf das Antifaschistische Café in Braunschweig. Auch hier wurde der potentielle Verlust von Menschenleben billigend in Kauf genommen.
Zwischen den Brandanschlägen aus dem Bremer Umland sowie den Anschlägen in Bremen und Braunschweig muss differenziert werden, da es sich bei den einen um Angriffe auf die alternative Linke Szene und bei den anderen um rassistisch motivierte Gewalt handelt.
Die Gemeinsamkeiten sehen wir bei den Täter*innen. Terroristische Nazi-Netzwerke haben eine lange Kontinuität in der BRD. Sie sind bewaffnet, organisiert und entschlossen, dies ist nicht zuletzt eine Erkenntnis aus dem NSU. Die politische Schlussfolgerung daraus muss sein, bei rassistischen Anschlägen von einer neonazistischen Täter*innenschaft auszugehen.

Auf den Staat kein Verlass!

Während der Ermittlungen versuchen die Bullen immer wieder ihre rassistischen Denkmuster aufrecht zu erhalten. Sie würden eher von „Versicherungskriminalität“ als von Rechtsterrorismus ausgehen. Weiterhin behaupten die Bullen, dass es vor Ort keine rechte Szene gäbe. So wird in der Antwort auf die kleine Anfrage der Grünen an die Landesregierung zu allen drei Orten geschrieben, dass es keine organisierten Rechten Strukturen vor Ort gäbe. Diese Behauptung wurde auch bei der Antwort auf die kleine Anfrage der Grünen im Landtag, weiter aufrechterhalten. Dies ist schlichtweg falsch. Dass sich Nazis an all diesen Orten etablieren konnten, sich fest in das gesellschaftliche Leben der Gemeinden integriert haben und es eine Kontinuität von rechten Vorkommnissen gibt, werden wir aufzeigen.
In Bremen gibt es auch anderthalb Jahre nach dem Anschlag keine Ermittlungserfolge, gleichzeitig wird der Anwältin der Betroffenen die Akteneinsicht verwehrt.
Die Ermittlungen zum Brandanschlag in Syke wurden bereits eingestellt.

Die Gemeinderäte in den Dörfern versuchen ebenfalls, die unbequeme Thematik von rechter Gewalt in der Region zu verschweigen. So äußerte sich ein Gemeinderat in Worpswede in Bezug zu Gnarrenburg: „Es ist doch jetzt erledigt, wir müssen weiter in die Zukunft schauen“.
Bereits vor dem Bränden hat die Mobile Beratungsstelle gegen Rechts die Landkreise Delmenhorst und Ganderkesee um Zusammenarbeit gegen Nazistrukturen gebeten. Dies lehnten die Landkreise jedoch ab, da sie kein Problem mit Rechtsextremismus vor Ort hätten. Nur wenige Wochen später brannte es.

Die Geister die ihr rieft…

Rassistische und rechte Gewalt findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist Ergebnis einer gesellschaftlichen Stimmung. Überall auf der Welt sind rechte Parteien im Aufwind und rangeln um die Hegemonie in Parlamenten, auf der Straße und in Diskursen. Diese autoritäre Formierung beschränkt sich in Deutschland nicht auf die AfD, sondern wird von nahezu allen Parteien – allen voran den Unionsparteien – bereitwillig aufgenommen und fortgeführt.
Im Umgang mit rechtem Terror sind die sogenannten Sicherheitsbehörden schon immer Teil des Problems. Nazis haben sich in den staatlichen Institutionen dieses Landes vernetzt und eigene Organisationen aufgebaut. Das Aufdecken dieser Organisationen, sei es der selbsternannte NSU 2.0 in der Frankfurter Polizei oder die Hannibal-Netzwerke in der Bundeswehr, blieben für ihre Akteur*innen weitgehend ohne Konsequenzen.
Inwiefern die lokalen Nazis für die Brandanschläge verantwortlich sind, können wir nicht sagen. Wir wissen jedoch, dass es innerhalb eines gesellschaftlichen Klimas, in dem die Polizei die rechte Szene vor Ort verharmlost, indem sich der Staat fortwährend autoritär formiert und wo rassistische sowie nationalistische Äußerungen längst Teil der gesellschaftlichen Debatte sind, es nur eine Person braucht, die sich dadurch sicher, oder mehr noch, berufen fühlt, eben jenes Klima in letzter Konsequenz in die Tat um zu setzten.

Antifa bleibt Handarbeit

Es ist nicht die Aufgabe antifaschistischer Gruppen, die Ermittlungen der Polizei zu ersetzen oder ihnen zuzuarbeiten. Unsere Aufmerksamkeit gilt der offenkundigen politischen Motivation von Bullen und Staatsanwaltschaften, die Zusammenhänge zwischen den Anschlägen zu ignorieren und eine potentielle rechtsterroristische Struktur damit zu decken.
Wenn Nazis Brandanschläge verüben und der Staat sein Bestes gibt, um die Taten zu entpolitisieren, ist konsequenter Antifaschismus auf allen Ebenen gefragt: von der direkten Unterstützung der Betroffenen über die öffentliche Thematisierung auf Kundgebungen und Demonstrationen bis hin zur Konfrontation der lokalen Nazis.
Die Brände haben Nazis gelegt. Den Brandbeschleuniger lieferte die Gesellschaft.

NIKA Nordwest im Auguts 2021 Quelle: https://www.nationalismusistkeinealternative.net/kampagnenstart-rechter-terror-im-nordwesten/

Stellungsnahme/Recherche des Bündnisses So.Wi.WIR vom 08.05.2021 zum Tag der Befreiung

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR und ihre AG MiCou – Mit Courage gegen Rechts haben haben eine Stellungsnahme/Recherche zum Tag der Befreiung veröffentlicht.

Quelle: So.Wi.WIR

Stellungsnahme/Recherche von dem So.Wi.WIR-Bündnis und ihrer AG MiCou vom 08.05.2021: „Von Befreiten und Unbelehrbaren: der 8. Mai in Wildeshausen

Am 8. Mai 1945 besiegelte die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht das endgültige Ende der Nazi-Terrorherrschaft. Ein Phänomen, das einhellig von den Zeitzeugen berichtet wird, war die plötzliche Stille, die nach dieser Kapitulation eintrat.
Doch diese Stille war eine Friedhofsruhe!
55 Millionen Menschen waren in Europa in diesem noch nicht einmal 6 Jahre dauernden Krieg umgekommen, davon ca. 27 Millionen allein in der Sowjetunion. Aber auch in dem kleinen Polen starben 6 Millionen Menschen, davon 5,7 Millionen polnische Zivilist:innen, die einem Krieg zum Opfer fielen, der nicht nur ein Eroberungskrieg war, sondern auch ein rassistischer Vernichtungskrieg gegen die „jüdischen, slawischen und bolschewistischen Untermenschen“. (so der Nazi-Jargon).
Natürlich ist es höchst spekulativ, sich vorzustellen, was passiert wäre, wenn es der deutschen Wehrmacht sowie der Naziadministration gelungen wäre, die europäischen Nachbarländer noch länger ihrer Terrorherrschaft zu unterwerfen. Aber ein Hinweis sei in diesem Zusammenhang erlaubt: von jungen deutschen Bevölkerungswissenschaftlern wurde errechnet, dass allein in Weißrussland 30 Mio. Bewohner:innen ermordet werden müssten, um mit dort anzusiedelnden deutschen Bauern eine Großraum-landwirtschaft zu etablieren!
Vor diesem Hintergrund den 8.Mai 1945 als Niederlage zu charakterisieren, wie es der Oberstudienrat für Geschichte, Björn Höcke, mit seiner Forderung nach einer 180 Grad-Wende in der Erinnerungspolitik getan hat, ist nichts als pure politische Perversion! Und auch die Einordnung der verbrecherischen Nazidiktatur als „Vogelschiss“ durch Alexander Gauland (AfD) entlarvt die Mentalität dieses angeblich so „normalen“ deutschen Parteiführers.
 
Endlich frei!
 
Überall in den von den deutschen Truppen geräumten europäischen Nachbar:innenstaaten war, z.T. schon ab Ende 1944, die Freude und die Erleichterung groß, endlich vom Joch der Unterdrückung, Ausplünderung und tödlichen Gefahr erlöst zu sein. In diesen Ländern erlebte und genoss man – bei aller Trauer um die Toten- ein tiefgründiges Gefühl der Befreiung. Insbesondere auch in Griechenland und in Jugoslawien, wo bis zu 200.000 Personen starke Partisan:innenarmeen die deutschen Soldat:innen aus dem Land gejagt hatten.
Aber auch in Deutschland gab es Personengruppen, die die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht und das Ende der Naziherrschaft als lange ersehnte Befreiung erlebten. Der Journalist Klaus Hillenbrand hat in der taz vom 6. Mai 2020 diese Personengruppe so umrissen: „Befreit worden waren die Gegner der Nazis, soweit sie noch am Leben waren, Sozialdemokraten und Kommunisten, manche Konservative und Christen, die wenigen oppositionellen Schriftsteller, die im Land geblieben waren. Und natürlich die Juden, soweit sie den Frühling 1945 erleben durften, Sinti und Roma, verfolgte Homosexuelle, andere unrechtmäßig Gefangene und die aus halb Europa verschleppten Zwangsarbeiter sowie Hunderttausende Kriegsgefangene.“. (https://taz.de/Kriegsende-vor-75-Jahren/15680052/ )
Es sollte 40 Jahre dauern, bis das Wort „Befreiung“, dass allenfalls als kommunistischer Kampfbegriff stigmatisiert worden war, bis in die höchsten Ränge der bundesrepublikanischen Republik Einzug hielt. Diesen Tabubruch beging, und dafür wurde er von der sog. Stahlhelmfraktion der CDU gehasst, am 8. Mai 1985 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der laut Redemanuskript betonte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“.
 
Gefühl der Niederlage
 
Dem ersten Satz v. Weizsäckers kann man vorbehaltlos zustimmen. Der zweite Satz („uns alle“) trifft allerdings in seiner Pauschalität nicht zu. Hierzu noch einmal Klaus Hillenbrand, der schreibt: „Ein größerer Teil der Deutschen empfand diese Befreiung 1945 keineswegs als eine solche, sondern war über die Niederlage des Regimes zutiefst unglücklich. Gewiss waren viele Menschen froh darüber, dass die Bombardierungen nun ein Ende hatten. Selbstverständlich begrüßten Soldaten (und ihre Mütter), dass sie der permanenten Lebensgefahr entronnen waren. Aber nicht nur Nazi-Bonzen flüchteten in diesem Frühlingsmonat aus Verzweiflung über das Ende des NS-Reiches in den Suizid, auch brave ‚Volksgenossen‘ folgten ihnen“.
Insbesondere in den ländlichen Regionen und vielen Kleinstädten, in denen vielfach eher nur geringe Kriegsschäden zu verzeichnen waren und das Alltagsleben nicht massiv eingeschränkt und desorganisiert war, gab es eher wenig Impulse, sich mit der Naziideologie und ihrer Schreckensherr-schaft kritisch und ablehnend auseinanderzusetzen. Berichte aus der britischen Besatzungszone belegen, dass die englischen Soldat:innen oftmals nicht als Autoritäten wahrgenommen wurden, sondern als lästige Besatzer:innen und verweichlichte Demokrat:innen.
Die Unfähigkeit zu einem tiefgreifenden Bewusstseinswandel wurde aber auch dadurch unterstützt, dass die Versorgungslage in Deutschland bis in das Jahr 1943 noch vergleichsweise gut war. Die Naziführung hatte aus den politischen Konsequenzen der Hungerkrisen des 1. Weltkrieges und der sich auch daraus ergebenden Novemberrevolution 1918 gelernt und durch systematische Ausplünderung der Ressourcen der eroberten Nachbar:innenstaaten einen vergleichsweise hohen Lebensstandard sichern können. Das garantierte ihnen Loyalität, ebenso wie die anfänglichen ‚Blitzkriege‘ der Wehrmacht bis zur Wende in Stalingrad im Januar 1943.
 
Verdrängung und Selbstentlastung nach Kriegsende
 
Dass viele Deutsche das Kriegsende als Niederlage interpretierten, hatte Auswirkungen auf die Nachkriegszeit. Man stilisierte sich selbst zum Opfer, entweder des alliierten Bombenkriegs oder einer angeblich kleinen verbrecherischen Clique hochrangiger Nazis, die einen gewissenlos verführt hatte. Also vom begeisterten Anhänger:innen des Führers zum ruchlos Verführten! Hinzu kam nach 1945 ein erstaunlicher kollektiver Gedächtnisverlust und das massenhafte Phänomen der Verdrängung. Außerdem konnte man ja scheinbar ideologisch nicht völlig falsch gelegen haben, denn wie die Nazis war man ja gegen den Bolschewismus einge-stellt gewesen, und diese Einstellung bestimmte auch die westliche und später bundesrepublikanische Politik ganz zentral.
Wenn gelegentlich der Begriff „Zusammenbruch“ im Zusammenhang mit dem 8. Mai benutzt wird, können damit 1) die erheblichen materiellen Schäden v.a. in den großen Städten und der damit zusammenhängende Zusammenbruch der Infrastruktur gemeint sein, 2) aber auch der Zusammenbruch des eigenen bisherigen Weltbildes, und schließlich 3) der Zusammenbruch des gesamten NS-Verwaltungssystems.
Nach dem Einmarsch der alliierten Truppen wurden nämlich die ehemaligen Funktionsträger:innen abgesetzt, vielfach auch festgesetzt, und überall neue Bürgermeister:innen und andere (zumeist) unbelastete Verwaltungsfachleute eingesetzt. So auch in Wildeshausen. Nach dem Einmarsch der britischen Truppen am 10./11. 04.1945 wurde am 28.04.1945 Theodor Cohn als Stadtsekretär und schließlich am geschichtsträchtigen 9. November 1945 zum Bürgermeister ernannt. Ab 13.12.1945 hatte er dann das Amt des Stadtdirektors inne. Der Wildeshauser Bürger Theodor Cohn war bis 1933 als Lehrer tätig. Nach dem 7. April 1933 wurde er aber aufgrund des Gesetzes „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ als sogenannter „Halbjude“ aus dem Schuldienst entlassen. Gegen Kriegsende wurden sogenannte „Halbjuden“ und „jüdisch versippte“ Männer zum geschlossenen Arbeitseinsatz in Zwangsarbeiterlager eingewiesen. Davon war auch Theodor Cohn betroffen, der mehrere Monate im „Mischlingslager“ Lenne bei Holzminden verbringen musste. Nach seiner Befreiung und der Rückkehr nach Wildeshausen war Cohn in der Folgezeit zunehmend Anfeindungen der keineswegs mehrheitlich ideologisch und alltagskulturell gewendeten. Wildeshauser Bevölkerung ausgesetzt. „Am 30 September 1950 schied er unter demütigenden Umständen aus dem Amt. Er starb am 19. Juli 1954 im Alter von 51 Jahren.“ (Werner Meiners)
 
Personelle Kontinuitäten und Renazifizierung
 
Der politische Klimawandel in den späten 40er und frühen 50er Jahren, der beispielhaft in Wildeshausen zu beobachten war, ist charakterisch für die beginnende politische Wende in allen westlichen Besatzungszonen. Der kalte Krieg entwickelte sich und man machte seinen Frieden mit den Tätern. Insofern ist auch die Charakterisierung des 8. Mai als „Stunde Null“ unzutreffend, da sie suggeriert, dass es nach Kriegsende einen völligen Neustart gegeben hätte. Doch am Start war dasselbe Personal wie vor dem Kriegsende und ideologisch war in vielen Köpfen die Naziideologie immer noch nicht überwunden. Stattdessen hatte in den Jahren 1947/48 die sog. Entnazifizierung ihren anfänglichen Schwung längst verloren, Forderungen nach einem Schlussstrich wurden immer lauter und belastete Nazis, die sich zunächst verborgen und zurückgehalten hatten, kamen wieder an die Oberfläche. Als Resultat, insbesondere befördert durch das sog. 131er-Gesetz im Jahre 1951, können wir festhalten, dass kein einziger Richter, der vor 1945 Unrecht gesprochen hatte, entlassen wurde, fast alle Lehrer:innen, die im Nationalsozialistischen Lehrerbund organisiert waren, wieder in den Schulen unterrichteten, in den Führungsgremien der wiederauflebenden Konzerne Kriegsgewinner:innen und Kriegsverbrecher:innen saßen. Und in der Politik mischten in erheblicher Zahl ehemalige NSDAP-Mitglieder bzw. maßgebliche Unterstützer:innen der NS-Politik mit. So z.B. auch Hans Globke, der ab 1949 als Kanzleramtsminister in der Regierung Adenauer an zentralen Hebeln der politischen Macht saß. Eben jener Globke, der 1935 als Experte im Reichinnenministerium die juristische Kommentierung der „Nürnberger Rassegesetze“ vorgenommen hatte, die den Wildeshauser Theodor Cohn zum „Halbjuden“ erklärten und sein weiteres Schicksal maßgeblich prägten.
 
Naziführer Hermann Petermann
 
Im krassen Gegensatz zur Biografie Theodor Kohns verlief die politische Karriere von Hermann Petermann. Der Fabrikant Petermann, seit 1931 Ortsgruppenleiter der NSDAP, war vom 27. Juni 1933 bis zum Kriegsende 1945 Bürgermeister in Wildeshausen. Die NSDAP konnte sich schon vor 1933 auf eine breite Zustimmung in Wildeshausen und Umgebung stützen. Bereits 1928, als die Partei Hitlers bei den Reichstagswahlen reichsweit lediglich 2,6% erreichte, waren es in Wildeshausen schon 17,5%. Und bei den Juliwahlen steigerte sie das Stimmergebnis auf 51,6%, außerdem erzielte die republikfeindliche und militaristische Deutsch-Nationale Volksparte (DNVP) 15,4%. Zusammen stimmten also Zweidrittel der Wildeshauser Bevölkerung schon vor 1933 gegen die demokratische Struktur der Weimarer Republik!
In der Amtszeit Petermanns wurde unmittelbar nach der Machtübergabe an Adolf Hitler am 30. Januar 1933 mit der Diskriminierung, Ausgrenzung und schließlich fast vollständigen Ermordung der kleinen jüdischen Gemeinde in Wildeshausen begonnen. Die 21 in Wildeshausen lebenden jüdischen Einwohner:innen gehörten den Familien Goldstein, de Haas, Heinemann und de Vries an. Als eine der ersten Repressionsmaßnahmen erlebten sie den Boykott der jüdischen Geschäfte am 1. April 1933. Ab 1935 verschärfte sich der Druck auf diejenigen „Volksgenossen“, die trotz massiver Propaganda immer noch nicht bereit waren, ihre geschäftlichen und privaten Kontakte zu der jüdischen Bevölkerung einzustellen. Im August 1935 wandte sich der Landesbauernführer in diesem Zusammenhang mit folgenden Worten an die „uneinsichtige“ Landbevölkerung: „Es (ist) an der Zeit, die Juden systematisch und vollständig aus dem Viehhandel auszuschalten. Ich erwarte von meinen Oldenburger Bauern, dass sie sich bei dem Einkauf ihrer Tiere nicht mehr jüdischer Viehhändler bedienen, sondern dass sie sich hierfür der arischen Viehhändler…bedienen.“. (Z.n. Werner Meiners: Menschen im Landkreis Oldenburg 1918-1945. S. 135)
 
Hasspropaganda in aller Öffentlichkeit
 
Ebenfalls ab Mitte 1935 standen an den Ortseingängen nach Wildeshausen große Schilder, auf denen mit drohendem Unterton verkündet wurde, dass Jüdinnen:Juden im Ort unerwünscht seien. Und die WILDESHAUSER ZEITUNG meldete etwa zur selben Zeit: „Immer mehr Geschäfte gehen dazu über, in ihren Räumen ein Schild anzubringen mit der Aufschrift ‚Deutsches Geschäft. Juden unerwünscht‘.“ Eine maßgebliche Rolle bei der Indoktrination der Bevölkerung zum Judenhasse spielten auch die sog. „Stürmerkästen“, also im Ort aufgestellte Propagandatafeln, auf denen das antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“ (Motto: „ Die Juden sind unser Unglück“) sowie andere ähnlich geartete Schriften öffentlich präsentiert wurden. Und das zeigte Wirkung! „Nicht viel hätte gefehlt, und es wäre auch in Wildeshausen zu Ausschreitungen gegen jüdische Einwohner:innen gekommen. Durch einen Anschlag im Stürmerkasten brandmarkte die NSDAP-Ortsgruppe die ‚Rassenschänder‘ Moritz und Carl de Haas und denunzierte Wildeshauser Bürger als ‚Judengenossen‘. Ein entsprechender Bericht erschien im Januar 1937 im STÜRMER. Noch im selben Jahr gerieten die jüdischen Geschwister Jonny und Frieda de Vries in Wildeshausen wegen mehrfacher ‚Rassenschande‘ in die Fänge der NS-Justiz. Jonny de Vries wurde zu 11/2 Jahren Zuchthaus verurteilt, nach der Entlassung aus dem Strafgefängnis Vechta in das Konzentrationslager Sachsenhausen ‚überführt‘ und soll Anfang 1945 im Vernichtungslager Auschwitz umgekommen sein. Seine Schwester Frieda starb nach mehrjähriger KZ-Haft am 22. Februar 1942 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“. (W. Meiners, S.140)
In aller Öffentlichkeit vollzog sich im Rahmen der „Reichskristallnacht“ auch die Zerstörung der kleinen Synagoge in Wildeshausen am 10.11.1938, wobei die örtliche Feuerwehr, die bereits 1933 schon „arisiert“ worden war, tätige Mithilfe leistete. In den folgenden Tagen wurde die Mehrzahl der jüdischen Männer in das KZ Sachsenhausen deportiert, lediglich die ältesten Männer blieben von diesem Martyrium verschont. Erst nach qualvollen Wochen kehrten die jüdischen Männer Ende 1938/Anfang 1939 zurück. Überlebt hatten sie alle, doch Arthur Goldstein aus Wildeshausen hatte sich erhebliche gesundheitliche Schäden zugezogen.
Die Entlassung aus dem KZ war an die Auflage gekoppelt, zusammen mit den Familienangehörigen schnellstens Deutschland zu verlassen. Voreilig meldete die WILDESHAUSER ZEITUNG deshalb am 28. April 1939: „Wildeshausen wird frei von Juden.“ Doch tatsächlich gelang es nur einem Teil der jüdischen Einwohner:innen, ihre Heimatstadt zu verlassen.
 
Die zweite politische Karriere des Hermann Petermann
 
Skandalös, aber auch symptomatisch für die Tendenz der Verdrängung und der Selbstentlastung auch noch Jahrzehnte nach Kriegsende ist die Tatsache, dass der ehemalige NSDAP-Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Hermann Petermann eine zweite politische Karriere beginnen konnte. Mit der ausschlaggebenden Stimme der NPD im Stadtrat wurde er von 1966-1968 wiederum zum Bürgermeister gewählt, von 1968-1971 war er stellvertretender Bürgermeister. Außerdem bekleidete er, als FDP-Mitglied, von 1964-1972 sogar das Amt des Landrates bzw. stellvertretenden Landrates. Quasi als „Sahnehäubchen“ kam dann noch hinzu, dass 1982 durch Ratsbeschluss eine Straße in Wildeshausen nach ihm benannt wurde!
Diese politische Geschmacklosigkeit, insbesondere angesichts der größtenteils ermordeten jüdischen Bevölkerung aus Wildeshausen, wurde erst 2012 aufgrund des beharrlichen Engagements der Politikerin Kreszentia Flauger (DIE LINKE) durch eine Straßenumbe-nennung rückgängig gemacht.
 
Jeder Tag ein Tag der Befreiung!
 
Von Stunde Null , also einem totalen Neuanfang nach Kriegsende, keine Spur! Eher schon Amnesie und Rollback! Wir müssen uns also entscheiden, welchen Begriff wir für den 8. Mai 1945 wählen wollen, und da scheint es klar zu sein, dass wir diesen Tag einzig und allein aus der Sicht der Widerstandskämpfer:innen, der rassisch und politisch Verfolgten und der gegen ihren Willen in Nazideutschland ausgebeuteten Zwangsarbeiter:innen betrachten können.
Das bedeutet in der Konsequenz auch, die Forderung der Auschwitzüberlebenden und VVN/BdA- Ehrenvorsitzenden Esther Bejarano zu unterstützen, den 8. Mai endlich als bundesweiten Feiertag zu etablieren. Allerdings muss jeder Tag ein Tag der Befreiung sein, einer Befreiung von faschistischer Propaganda und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie wir sie aktuell in zunehmenden Maße zur Kenntnis nehmen müssen.
So z.B. durch Reichskriegsflaggen im Straßenbild, extrem rechte Propaganda aus den Reihen des Wildeshauser Bauhofs, Aufkleber der vom Verfassungsschutz beobachteten extrem rechten „Identitären Bewegung“ und anderer rechter Organisationen sowie überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse der verfassungsfeindlichen AfD bei Bundestags- und Landtagswahlen in der Stadt Wildeshausen.
 
„Es ist passiert, also kann es wieder passieren“, warnte der Auschwitz-Überlebende Primo Levi. Das gilt es unbedingt zu verhindern!“ Quelle: https://www.facebook.com/sowiwir/posts/2920985904856004

 

Pressemitteilung des Bündnisses So.Wi.WIR vom 04.05.2021 zum Tag der Befreiung und ihrem geplanten Projekt

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR und ihre AG MiCou – Mit Courage gegen Rechts haben haben eine Pressemitteilung zum Tag der Befreiung und ihrem geplanten Projekt veröffentlicht.

Quelle: So.Wi.WIR

Pressemitteilung von dem So.Wi.WIR-Bündnis und ihrer AG MiCou vom 04.05.2021: „Der 8. Mai 1945 gilt als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus. Nicht zuletzt der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizäcker (CDU) nahm in einer vielbeachteten Rede im Jahre 1985 diese Charakterisierung vor. Vor diesem Hintergrund startet das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR am 8. Mai ein Projekt unter der Fragestellung: „Hat Wildeshausen ein rechtes Problem?“.

Insbesondere trifft die Wertung v. Weizäckers zu auf „die Gegner der Nazis, soweit sie noch am Leben waren, die wenigen oppositionellen Schriftsteller, die im Land geblieben waren. Und natürlich auf die Juden, soweit sie den Frühling 1945 erleben durften, Sinti und Roma, verfolgte Homosexuelle, andere unrechtmäßig Gefangene und die aus halb Europa verschleppten Zwangsarbeiter sowie hunderttausende Kriegsgefangene.“ (Klaus Hillenbrand)
 
Doch für einen erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung war das Ende der Nazidiktatur auch ein Impuls für eine bemerkenswerte Neuinterpretation ihrer eigenen Rolle in dieser Zeit. Vom Mitläufer oder sogar Täter schlüpfte man in rasanter Geschwindigkeit in die Rolle des Opfers und politisch Verführten. Plötzlich war nur noch eine kleine Clique von „Nazi-Bonzen“ für Kriegsverbrechen, Massenmorde, Ausgrenzung und Verfolgung von religiösen und politischen Minderheiten verantwortlich. Der eigene Anteil am Aufstieg der NSDAP und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde verdrängt, verleugnet, verschwiegen. Diese verbreitete Tendenz des Verdrängens und der Selbstrechtfertigung verhinderte in den nachfolgenden Jahrzehnten eine fundierte Auseinandersetzung mit den Ursachen und den Mechanismen faschistischer Herrschaft.
Und das hatte Folgen. Zum Beispiel erzielte die Nachfolgeorganisation der NSDAP, die „Sozialistische Reichspartei“ (1952 verboten) bei den Landtagswahlen 1951 in Niedersachsen ca. 11 Prozent der Stimmen. In Wildeshausen lag ihr Ergebnis deutlich über dem Landesdurchschnitt.
 
Damit setzte sich eine unselige Tendenz fort, die schon seit den 1920er Jahren in Wildeshausen zu beobachten war. Während die NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928 lediglich 2,6% erreichte, waren es in Wildeshausen zu diesem Zeitpunkt schon 17,5%. Und bei den Juliwahlen 1932 erzielte diese offen rassistische und gewaltbereite Partei in Wildeshausen 51,6%, außerdem die republikfeindliche und militaristische Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP) 22,7%. Zusammen also fast 2/3 der abgegebenen Stimmen für offen demokratiefeindliche Parteien!
 
Geradezu skandalös, aber auch symptomatisch für die Tendenz der Verdrängung und der Selbstentlastung auch noch Jahrzehnte nach Kriegsende ist die Tatsache, dass der höchste Vertreter des NS-Regimes vor Ort, der NSDAP-Ortsgruppenleiter (ab 1931) und Bürgermeister von 1933-1945, Hermann Petermann, von 1966-1968 (mit der ausschlaggebenden Stimme der NPD im Stadtrat) wiederum zum Bürgermeister gewählt wurde und von 1968-1971 als stellvertretender Bürgermeister fungierte. Und von 1964-1972 bekleidete Petermann sogar das Amt des Landrats bzw. des stellvertretenden Landrats. Eine konsequente Auseinandersetzung mit den unfassbaren Verbrechen des deutschen Faschismus und des ihm dienenden und unterstützenden Personals sieht anders aus! Zumal im Falle Petermanns sozusagen als „Sahnehäubchen“ noch dazu kam, dass 1982 durch Ratsbeschluss eine Straße in Wildeshausen nach ihm benannt wurde. Diese politische Geschmacklosigkeit, insbesondere gegenüber der größtenteils im Holocaust ermordeten jüdischen Bevölkerung aus Wildeshausen, wurde erst 2012 aufgrund des beharrlichen Engagements der Politikerin Kreszentia Flauger (DIE LINKE) durch eine Straßenumbenennung aus der Welt geschafft.
 
Keineswegs aus der Welt ist aber die Tatsache, dass auch aktuell Wildeshausen augenscheinlich ein rechtes Problem hat. Reichskriegsflaggen im Straßenbild, extrem rechte Propaganda aus den Reihen des Bauhofs, Propagandaaufkleber der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ und anderer extrem rechter Gruppieren sowie überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse der vom Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ eingestuften AfD in Wildeshausen sind unleugbare Hinweise. So erzielte die AfD beispielsweise bei den Landtagswahlen 2017 im Wahlkreis Oldenburg-Land 5,69%, in Wildeshausen jedoch 8%, in einigen Stimmbezirken sogar bis zu 15%. Und bei der letzten Bundestagswahl kam die AfD in Niedersachsen durchschnittlich auf 8,0%, dagegen in Wildeshausen auf 11,33%!
 
Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR wird am 8. Mai auf ihrer Facebook-Seite (https://www.facebook.com/sowiwir/ ) eine ausführliche Stellungnahme zum Jahrestag der Befreiung veröffentlichen. Und wenn die coronabedingten Einschränkungen aufgehoben werden, plant das Bündnis, eine Podiumsdiskussion durchzuführen mit dem Titel: „Hat Wildeshausen ein rechtes Problem?“.“ Quelle: https://www.facebook.com/sowiwir/posts/2918984868389441