Pressemitteilung des Bündnisses So.Wi.WIR vom 04.05.2021 zum Tag der Befreiung und ihrem geplanten Projekt

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR und ihre AG MiCou – Mit Courage gegen Rechts haben haben eine Pressemitteilung zum Tag der Befreiung und ihrem geplanten Projekt veröffentlicht.

Quelle: So.Wi.WIR

Pressemitteilung von dem So.Wi.WIR-Bündnis und ihrer AG MiCou vom 04.05.2021: „Der 8. Mai 1945 gilt als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus. Nicht zuletzt der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizäcker (CDU) nahm in einer vielbeachteten Rede im Jahre 1985 diese Charakterisierung vor. Vor diesem Hintergrund startet das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR am 8. Mai ein Projekt unter der Fragestellung: „Hat Wildeshausen ein rechtes Problem?“.

Insbesondere trifft die Wertung v. Weizäckers zu auf „die Gegner der Nazis, soweit sie noch am Leben waren, die wenigen oppositionellen Schriftsteller, die im Land geblieben waren. Und natürlich auf die Juden, soweit sie den Frühling 1945 erleben durften, Sinti und Roma, verfolgte Homosexuelle, andere unrechtmäßig Gefangene und die aus halb Europa verschleppten Zwangsarbeiter sowie hunderttausende Kriegsgefangene.“ (Klaus Hillenbrand)
 
Doch für einen erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung war das Ende der Nazidiktatur auch ein Impuls für eine bemerkenswerte Neuinterpretation ihrer eigenen Rolle in dieser Zeit. Vom Mitläufer oder sogar Täter schlüpfte man in rasanter Geschwindigkeit in die Rolle des Opfers und politisch Verführten. Plötzlich war nur noch eine kleine Clique von „Nazi-Bonzen“ für Kriegsverbrechen, Massenmorde, Ausgrenzung und Verfolgung von religiösen und politischen Minderheiten verantwortlich. Der eigene Anteil am Aufstieg der NSDAP und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde verdrängt, verleugnet, verschwiegen. Diese verbreitete Tendenz des Verdrängens und der Selbstrechtfertigung verhinderte in den nachfolgenden Jahrzehnten eine fundierte Auseinandersetzung mit den Ursachen und den Mechanismen faschistischer Herrschaft.
Und das hatte Folgen. Zum Beispiel erzielte die Nachfolgeorganisation der NSDAP, die „Sozialistische Reichspartei“ (1952 verboten) bei den Landtagswahlen 1951 in Niedersachsen ca. 11 Prozent der Stimmen. In Wildeshausen lag ihr Ergebnis deutlich über dem Landesdurchschnitt.
 
Damit setzte sich eine unselige Tendenz fort, die schon seit den 1920er Jahren in Wildeshausen zu beobachten war. Während die NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928 lediglich 2,6% erreichte, waren es in Wildeshausen zu diesem Zeitpunkt schon 17,5%. Und bei den Juliwahlen 1932 erzielte diese offen rassistische und gewaltbereite Partei in Wildeshausen 51,6%, außerdem die republikfeindliche und militaristische Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP) 22,7%. Zusammen also fast 2/3 der abgegebenen Stimmen für offen demokratiefeindliche Parteien!
 
Geradezu skandalös, aber auch symptomatisch für die Tendenz der Verdrängung und der Selbstentlastung auch noch Jahrzehnte nach Kriegsende ist die Tatsache, dass der höchste Vertreter des NS-Regimes vor Ort, der NSDAP-Ortsgruppenleiter (ab 1931) und Bürgermeister von 1933-1945, Hermann Petermann, von 1966-1968 (mit der ausschlaggebenden Stimme der NPD im Stadtrat) wiederum zum Bürgermeister gewählt wurde und von 1968-1971 als stellvertretender Bürgermeister fungierte. Und von 1964-1972 bekleidete Petermann sogar das Amt des Landrats bzw. des stellvertretenden Landrats. Eine konsequente Auseinandersetzung mit den unfassbaren Verbrechen des deutschen Faschismus und des ihm dienenden und unterstützenden Personals sieht anders aus! Zumal im Falle Petermanns sozusagen als „Sahnehäubchen“ noch dazu kam, dass 1982 durch Ratsbeschluss eine Straße in Wildeshausen nach ihm benannt wurde. Diese politische Geschmacklosigkeit, insbesondere gegenüber der größtenteils im Holocaust ermordeten jüdischen Bevölkerung aus Wildeshausen, wurde erst 2012 aufgrund des beharrlichen Engagements der Politikerin Kreszentia Flauger (DIE LINKE) durch eine Straßenumbenennung aus der Welt geschafft.
 
Keineswegs aus der Welt ist aber die Tatsache, dass auch aktuell Wildeshausen augenscheinlich ein rechtes Problem hat. Reichskriegsflaggen im Straßenbild, extrem rechte Propaganda aus den Reihen des Bauhofs, Propagandaaufkleber der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ und anderer extrem rechter Gruppieren sowie überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse der vom Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ eingestuften AfD in Wildeshausen sind unleugbare Hinweise. So erzielte die AfD beispielsweise bei den Landtagswahlen 2017 im Wahlkreis Oldenburg-Land 5,69%, in Wildeshausen jedoch 8%, in einigen Stimmbezirken sogar bis zu 15%. Und bei der letzten Bundestagswahl kam die AfD in Niedersachsen durchschnittlich auf 8,0%, dagegen in Wildeshausen auf 11,33%!
 
Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR wird am 8. Mai auf ihrer Facebook-Seite (https://www.facebook.com/sowiwir/ ) eine ausführliche Stellungnahme zum Jahrestag der Befreiung veröffentlichen. Und wenn die coronabedingten Einschränkungen aufgehoben werden, plant das Bündnis, eine Podiumsdiskussion durchzuführen mit dem Titel: „Hat Wildeshausen ein rechtes Problem?“.“ Quelle: https://www.facebook.com/sowiwir/posts/2918984868389441