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Stellungsnahme des Bündnisses So.Wi.WIR vom 07.11.2020 zum Novemberpogrom

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR weisen in ihrer Stellungsnahme zu dem Novemberpogrom auf das Putzen der Stolpersteine und dem anschließenden Gedenken hin.

Stellungsnahme von dem So.Wi.WIR-Bündnis: Samstag ab 11:00 Uhr traffen wir uns maximal zu Zweit zum Stolpersteine putzen und anschließend vor dem „Jüdischer Friedhof (Wildeshausen)“ um den in Wildeshausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen und den mindestens sechs Millionen weiteren Jüdinnen:Juden, die in der NS-Zeit umgekommen sind zu denken.

Die Gewalt der Pogrome vom 7. bis 13. November 1938 fand am 9. November ihren vorläufigen Höhepunkt. Überall in Deutschland und Österreich brannten die Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden überfallen, demoliert, geplündert und angezündet. Deutsche Antisemit:innen demütigten, schlugen, vergewaltigten und ermordeten Jüdinnen:Juden. Etwa 30.000 Männer wurden verhaftet und in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau verschleppt. Die Pogrome stellten eine weitere, entscheidende Radikalisierung der antijüdischen Politik des nationalsozialistischen Regimes dar. Bereits zuvor hatten die Nazis die deutschen Jüdinnen:Juden Schritt für Schritt aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Nach dem November 1938 wurde die antisemitische Politik immer gewalttätiger und gipfelte letztlich in dem Versuch, alle Jüdinnen:Juden Europas zu vernichten. Bis 1945 hatten die Nazis mindestens sechs Millionen Jüdinnen:Juden ermordet.
 
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Synagogengebäude in Wildeshausen durch SA- und Feuerwehrangehörige am helllichten Tag und vor zahlreichen Zuschauer:innen zerstört, obwohl das Gebäude kurz zuvor für 1.500 Reichsmark an einen Bäckermeister in der Nachbar:innenschaft verkauft und von der jüdischen Gemeinde geräumt worden war. Aus den Holzständern des Fachwerkbaus wurde später eine Scheune errichtet. Die fünf jüdischen Männer in der Stadt wurden in das KZ Sachsenhausen verbracht und dort bis Anfang 1939 festgehalten. Am 1. September 1939 lebten noch zehn jüdische Personen in der Stadt. Bis Mitte Mai 1940 mussten sie – mit den Juden des Oldenburger Landes und Ostfrieslands – Wildeshausen verlassen. Sie wurden in „Judenhäusern“ in Bremen zusammengepfercht und im November 1941 nach Minsk deportiert. [1]
 
Wir gedenken den in Wildeshausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen: Bernhard de Haas, Fritz de Haas, Helene de Haas geb. Gimnicher, Moritz de Haas, Ruth de Haas, Sophie de Haas geb. van der Zyl, Frieda de Vries, Jenny de Vries, Jonny de Vries, Alfred Heinemann, Else Rosenbaum geb. Heinemann, Golda Herzberg, Arthur Goldstein, Harry (Hermann Herz) Renberg und Joel Renberg [2-4] und den mindestens sechs Millionen weiteren Jüdinnen:Juden, die in der NS-Zeit umgekommen sind.
 

Hierzu erklärt Detlev Hesse von der AG MiCou – Mit Courage gegen Rechts: „Das Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome und das Benennen der Täter:innen, die Synagogen, Häuser und Geschäfte anzündeten, ihre jüdischen Nachbar:innen demütigten, schlugen, vergewaltigten und ermordeten, ist ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen Rechts und ist wichtiger denn je in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks.“

Zum Kampf gegen Rechts gehört es auch, die gesellschaftlichen Strukturen zu benennen, die die Verbrechen während der NS-Zeit ermöglichten und Kontinuitäten aufzuzeigen. Denn auch heute 82 Jahre nach dem Novemberpogrom treten antisemitische, rassistische und sexistische Ideologien wieder immer offener zu Tage. In jüngster Vergangenheit zeigte sich das als tausende „besorgte Bürger:innen“ im Schulterschluss mit Nazis durch die Straßen liefen um wahlweise gegen Geflüchtete oder aber gegen die angebliche Corona-Verschwörung der Eliten zu demonstrieren. [5] Nicht zuletzt wurde dies durch personelle Überschneidungen zwischen den Oldenburger „Corona-Demos“ und der aktiven extremen Rechten in der letzten Monaten deutlich. [6]
 
Seit die Corona-Pandemie notgedrungen unseren Alltag verändert, formieren sich antisemitische Verschwörungsideolog:innen in vielen Städten, so auch in Oldenburg. Das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus Oldenburg berichtet dazu: „Auf der Grundlage unserer Recherche und Beobachtungen auf der Oldenburger Demo möchten wir eindringlich vor diesen Veranstaltungen und ihrer Verharmlosung warnen, da dort rechte und verschwörungsideologische Denkmuster zum Ausdruck gebracht werden sowie eine antisemitische Relativierung des Nationalsozialismus stattfindet.“ [7]
 
Auch die vermeintlichen „Einzeltäter“ von Halle und Hanau waren getrieben von Antisemitismus und Verschwörungsglauben. [8] Nicht erst die NSU-Morde, der Angriff auf die Synagoge in Halle, die Morde von Hanau und all die anderen antisemitischen, rassistischen und sexistischen Beleidigungen, Übergriffe und Gewaltakte, die tagtäglich in Deutschland verübt werden, machen deutlich, dass es Zeit ist, Position zu beziehen, nicht mehr nur bestürzt zu sein, sondern auch aktiv in das politische Geschehen einzugreifen. Quelle: So.Wi.WIR
 
Facebook-Link zu dem Beitrag von dem So.Wi.WIR-Bündnis mit weiteren Informationen: https://www.facebook.com/notes/sowiwir/stellungsnahme-vom-07112020-zum-novemberpogrom/1051532851948243/
 
Fotos: