Solidaritätserklärung des Bündnisses So.Wi.WIR vom 13.11.2020 zum Brandanschlag in Ganderkesee

Das Bündnis So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR haben eine Solidaritätserklärung zum Brandanschlag am 14.10.2020 in Ganderkesee veröffentlicht.

Quelle: Recherche-Nord

Solidaritätserklärung von dem So.Wi.WIR-Bündnis: „In Ganderkesee (Landkreis Oldenburg) war das Feuer gegen 3.15 Uhr ausgebrochen, später stand das ehemalige Bahnhofsgebäude in der Wittekindstraße komplett in Brand und wurde zu großen Teilen durch das Feuer zerstört. Wegen der Spuren in dem Gebäude wird von einer vorsätzlichen Brandstiftung ausgegangen. In das ehemalige Bahnhofsgebäude war das „Don Gantero” eingezogen – eine Mischung aus Cocktailbar und Restaurant – geführt von einem Gastronom mit „Migrationshintergrund“. Unter anderem berichtet eine Polizeisprecherin in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Oldenburg, dass sich bei den am Brandort entdeckten Symbolen der rechten Szene um ein Hakenkreuz sowie die Ziffer „88“ handelt. [1] Die „88” steht für „HH”: „Heil Hitler”. Sie war bereits in den Nachkriegsjahren eine konspirative Grußformel von Nazis. [2]

Da sich das Gebäude im Besitz der Gemeinde Ganderkesee befindet, wurde die zuständige Bürgermeisterin Alice Gerken (parteilos) über die Ermittlungen informiert. [3] Dem NDR 1 Niedersachsen zeige sich die Bürgermeisterin schockiert und sagte: „Eine solche Tat wende sich gegen alles, wofür die Gemeinde Ganderkesee stehe.” [4]
 
Auch vier Wochen nach dem Brandanschlag in Ganderkesee gibt es aus der lokalen Parteienlandschaft bisher weder Reaktionen, noch Solidaritätsbekundungen für die von der Gewalt betroffenen Personen. Umso wichtiger ist es, dass wir als zivilgesellschaftliches Bündnis unsere Solidarität aussprechen und die umfassende Aufklärung der Tat durch die Ermittlungsbehörden fordern, denn auch wir fürchten, dass eine Serie von Brandanschlägen nicht konsequent verfolgt und falsch eingeschätzt wird.
 
Seit 2018 wurden im Bremer Umland Brandanschläge auf eine Wohnung, Bars und Restaurants von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte verübt. Die Existenzen der Betroffenen wurden weitgehend vernichtet und die Angst in den Communitys ist gewachsen. [5] Die Polizei sieht keine Zusammenhänge zwischen den sechs unterschiedlichen Brandanschlägen auf Unterkünfte von Geflüchteten sowie migrantisch geführten Geschäften und geht nicht von einer Brandserie aus. Bisher wurde kein:e Täter:innen ermittelt. [6]
 
Der Brandanschlag in Ganderkesee sollte genau in diese Serie verschiedener Anschläge eingeordnet und ein mögliches rechtes Tatmotivation sollte nach aktueller Kenntnislage nicht kleingeredet werden. In die Reihe der Anschläge gehören konkret etwa der Angriff auf das Lokal „Martino” in Syke am 13.02.2020 und die Kneipe „Hexenkessel” in Gnarrenburg am 23.07.2020. In Gnarrenburg sind drei Bewohner:innen einer Wohnung, welche sich über der Gaststätte befand, nur knapp den Flammen des Brandanschlages entkommen. [7] Die Motivation und das Vorgehen scheinen identisch zu sein, denn jedes Mal traf es Gastronom:innen mit sogenanntem „Migrationshintergrund”, bei denen die Täter:innen einbrachen, um das Feuer innerhalb der Räumlichkeiten zu legen. Wie bei den beiden genannten Anschlägen auch wurden in Ganderkesee Hakenkreuze an den Wänden geschmiert, in Syke wurde zusätzlich „Ausländer raus” an eine Wand gesprüht. [8] Die Parole „Ausländer raus” und die zwei Hakenkreuze befanden sich in Syke auf der von der Straße abgewandten Seite des Hauses. Laut Staatsanwaltschaft Verden vermuten die Ermittler:innen wohl keinen „fremdenfeindlichen Hintergrund”, da Rechtsextremisten ihre Propaganda normalerweise an der Vorderseite hinterlassen und nicht, wie hier, „auf der abgewandten Seite des Hauses”. [9]
 
Die Aktivitäten und die Gefahr der seit Jahren im Bremer Umland aktiven rechten Szene dürfen nicht länger heruntergespielt werden. In dieser sich aus verschiedenen Strukturen zusammensetzenden Szene kommen rechte Hooligans-Gruppierungen, das Rechtsrock-Milieu sowie sogenannte „Freien Kameradschaften” und Bruderschaften wie „Nordic 12” zusammen. Die rechten Kampfsportler:innen aus dem Bremer Umland trainieren unter anderem in einem Gym in Prinzhöfte (Landkreis Oldenburg) und haben wiederum sowohl Verbindungen in das Rocker-Milieu als auch zu rechten Kameradschaften. Diverse in den Landreisen Diepholz und Oldenburg lebende Akteur:innen aus dieser Mischszene sind schon gewalttätig aufgefallen. [10] In Ganderkesee selbst gab es aktive Gruppen wie die „Autonomen Nationalisten”/„Aktionsgruppe Delmenhorst”, einer der führenden Persönlichkeiten war später bei der rechtsextremen „Identitären Bewegung” (IB) aktiv. [11]
 
Wir sagen es ganz deutlich: Ein Brandanschlag ist immer ein Angriff auf unsere demokratische Grundordnung. Durch Angriffe auf vermeintlich ausländische Mitbürger:innen soll eine Teil unserer Gesellschaft stigmatisiert und gezielt in Angst versetzt werden. Die betroffenen Communities berichten von großer Unsicherheit und wachsender Besorgnis. Wenn demokratische Grundwerte angegriffen werden, bedarf es von Politik und der Gesellschaft solidarisches und entschiedenes Einschreiten. Wir als Gemeinschaft müssen alle Opfer solcher Angriffe in unserer Mitte vor antidemokratischen und rassistischen Bestrebungen einer rechten Minderheit schützen.“ Quelle: So.Wi.WIR
 
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